Fotos: Barbara Zeininger
WIEN / Kammeroper des Theaters an der Wien:
LA CENERENTOLA von Gioachino Rossini
Premiere: 25. November 2013
Die ungeliebte „Cenerentola“ der Staatsoper, die wir zu Beginn des Jahres hinaufgedrückt bekamen, hat Rossinis Märchen-Buffa in irgendein Italien der fünfziger Jahre verlegt und das Geschehen solcherart nach allen Regeln verbogen. Darauf lässt sich Regisseurin Jasmin Solfaghari für die Aufführung der Kammeroper des Theaters an der Wien nicht ein. Ihre „Cenerentola“ soll schließlich in Nachmittagsvorstellungen auch eine höhere Art von Kinderoper in der Weihnachtszeit darstellen, und solcherart ist am besten einfach nur Spaß und Liebe angesagt.
Als Hilfe zum italienischen Gesang (besonders willkommen, da man die Übertitel – hellgrau auf dunkelgrau!!!! – so gut wie nicht lesen kann) gibt es den deutschen „Conferencier“: Die Regisseurin, in der Arbeit für Kinder wohl bewandert, hat eine Figur kreiert, den Herrn Luna, Opernfreund vom Mond, der gerne auf die Erde kommt, um hier dabei zu sein. Er erweist sich in Gestalt von Alexander Waechter als viel beschäftigter Erzähler des Geschehens, von dem, was da kommt, und darüber hinaus von einigen Zusammenhängen – und man wird den Verdacht nicht los, dass nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene, die eben die „Cenerentola“ nicht im kleinen Finger haben, für solche Hinweise dankbar sein werden. Zumal vieles witzig und zeitgemäß-schräg formuliert ist. Am Ende, wenn die Regisseurin die Protagonisten für ein langes Sextett regelrecht „erstarren“ lässt, darf Luna sogar mitspielen und Bänder zwischen ihnen knüpfen, die er aus den Riesenperücken der albernen Schwestern zieht… Spaß eben.
Ein Einwand allerdings zuerst – dafür, dass die Inszenierung ein Märchen in zeitlosem Gewand auf die Bühne stellt, ist die Optik ziemlich hässlich ausgefallen. Nun soll niemand sagen, auf der Nudelbrettbühne der Kammeroper lasse sich nichts Ordentliches hinstellen, denn wir wissen aus der Erfahrung von Jahrzehnten, was begabte Bühnenbildner da gezaubert haben. Mark Gläser dachte sich für den schäbigen Palazzo des Don Magnifico gerade eine Mauer mit abbröckelndem Putz aus, das geht noch, davor sitzen die Töchter unter etwas altmodischen Trockenhauben, wie man sie aus dem Frisiersalon kennt. Aber total mikrig ist der Palast des Don Ramiro, der gerade aus ein paar weißen Wänden besteht…
Wenn nun bloß die Kostümbildnerin (Petra Reinhardt) etwas wirklich Hübsches geschaffen hat, aber sie schickt nur einen gar nicht geschmackssicheren Fetzenkarneval auf die Bühne. Gewiss, die beiden bösen Schwestern der Angelina, die sich am Ende in „normale“, einigermaßen hübsche Mädchen verwandeln dürfen, können schon „schiach“ sein, wie man auf Wienerisch sagt – aber so? Nur Angelina ist ganz Audrey Hepburn, mal Holly Golightly, mal (im Brautkleid am Ende) Funny Face. Aber das rettet die Ästhetik des Abends nicht wirklich.
Gespielt wird immer wieder einmal aus dem Zuschauerraum heraus, im allgemeinen pointiert und sehr musikalisch – wie sich etwa die beiden Schwestern im Gleichschritt durchs Geschehen keifen oder wie man auch zu Rossini tanzen kann, das ist hübsch. Manche Figuren wie der alte Don Magnifico bekommen – er durch steifes Staksen und ungeduldiges Herumschlagen – einen ganz eigenen Charakter. Das Mitleid mit Angelina und das Kopfschütteln über die Zicken von Schwestern stellt sich ein. Die Kinder werden es leicht haben, die Psychologie zu verstehen (und die Erwachsenen auch).
Musikalisch wiederum der Einwand zuerst: Was Konstantin Chudovsky am Pult des Wiener KammerOrchesters erzeugte, war keineswegs erstklassiger Rossini, sondern ein harter, trockener Klang, der jede Elastizität und Leichtigkeit missen ließ, und auch des Dirigenten Verständnis für Timing war nicht das beste – vieles geriet zu langsam und langweilig, immer wieder stimmten die Einsätze zwischen Bühne und Orchester nicht. Rossini soll „leicht“ wirken, aber das heißt nicht, dass er leicht ist, und das spürte man an diesem Abend immer wieder.
Immerhin gab es ein fast ideales Liebespaar: Gaia Petrone war eine entzückende, ernsthafte Angelina mit einem echten Mezzo, eine herrliche Tiefe, alle Lagen schön dunkel timbriert, lockere Koloraturen, nur Höhenschärfe trübte den Eindruck gelegentlich. Und Andrew Owens verfügt über einen kräftigen, aber geschmeidigen Tenor, der die Rossini-Spitzentöne nur so hinwerfen kann. Dass er sich in der Schlusspointe der Regisseurin offensichtlich als unsicherer Kantonist erweist und Angelina beim Happyend abhanden kommt – dafür kann er ja nichts.
Die beiden Schwestern, die so viel Groteskes über sich ergehen lassen mussten, waren Ganya Ben-gur Akselrod als Clorinda, die in einer sehr späten Arie noch hören lassen durfte, dass auch eine Sopranistin Koloraturen singen kann, und Natalia Kawalek-Plewniak, die als Tisbe die klassische Kurzsichtige spielen musste, die ohne Brille ratlos herumirrt. Die beiden übten sich nicht nur in gelegentlich schrillem Gesang, sondern auch jeder Menge Grimassen.
Weniger Glück hatte der Abend mit den dunklen Stimmen – Ben Connor tat sich mit dem Dandini hörbar schwer, ihm liegen andere Komponisten sicher mehr, und Igor Bakan ließ sich entschuldigen, was gleich für zwei Rollen galt. Warum er neben dem grimmig bellenden Don Magnifico noch den Alidoro spielen und (etwas gezähmter) singen musste, entbehrt jeder Begründung – es sei denn, man wollte schlicht und einfach sparen.
Dem Publikum kannte keine Einwände – es lachte viel und bejubelte am Ende alle Beteiligten.
Renate Wagner