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PRESSBURG: DER SCHMUCK DER MADONNA von Ermanno Wolf-Ferrari

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Ermanno Wolf-Ferrari: Der Schmuck der Madonna, Preßburg (Bratislava) 27.6.2015

 Schon vor einem Monat, am 29. und 30.5.2015, hatte Wolf-Ferraris Oper „Der Schmuck der Madonna“ (I gioielli della Madonna) am Neuen Opernhaus Preßburg Doppel-Premiere, und noch immer gibt es im Merker keinen Bericht darüber. Nun denn, es sei:

 Der deutsch-italienische Komponist Ermanno Wolf-Ferrari (1876 – 1948) ist einer der ganz großen Tondichter der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und dennoch heute auch versierten Opernkennern fast unbekannt. Von seinen etwa  ein Dutzend Opern findet nur mehr sehr selten eine den Weg auf unsere Theaterspielpläne. Er ist ein Meister sowohl des heiteren  (z.B. „Die vier Grobiane“, „Susannens Geheimnis“), als auch des dramatischen Faches (z.B. „Sly“), mit einer eigenen, charakteristischen Tonsprache.

 Der österreichische Dirigent Friedrich Haider ist seit 2012 Musikdirektor des Slowakischen Nationaltheaters in Preßburg. Und er liebt die Musik Wolf-Ferraris. Diesem Umstand verdanken wir, daß wir die Opernrarität „Der Schmuck der Madonna“ gleichsam vor unserer Haustür, ca. 70 Kilometer von Wien, in einer mustergültigen Aufführung erleben dürfen.

 „Der Schmuck der Madonna“, uraufgeführt 1911 in Berlin, verbindet in Handlung und Musik pralles neapolitanisches Volksleben mit großer, veristischer Dramatik.

Der Schmied Gennaro liebt seine Adoptivschwester Maliella. Diese sieht in ihm nur den Bruder und verliebt sich in den Mafioso Rafaele, der prahlt, er würde für sie sogar den Schmuck der Madonna rauben. Gennaro wagt das tatsächlich und erreicht damit, daß Maliella sich ihm hingibt. Beide zerbrechen an dem Frevel des Schmuck-Raubes und begehen Selbstmord, von der Madonna verzeihend abgenickt.

 In der A-Premiere vom 29.5. war Natalia Ushakova ein stimmlich und darstellerisch ordinäres Vorstadtflittchen. Ihr Gennaro Kyungho Kim sang stimmschön, blieb aber als Figur blass. Denisa Slepkovska als Mutter Carmela und Daniel Capkovic als Rafaele waren sehr ordentliche Besetzungen.

 Am 30.5. in der B-Premiere (und auch 27.6.) war die A-Besetzung auf der Bühne. Die wunderbare Adriana Kohutkova ist ein optisch etwas reifes Mädchen, aber sie singt und spielt das leichtlebige Mädchen hervorragend. Ihr Gennaro ist Michael Lehotsky, dessen Stimme etwas rauh ist, der aber viel dramatischer singt und spielt als sein Kollege, und daher auch viel stärker berührt. Diese beiden Sänger machen den Abend zum großen Musiktheater-Erlebnis.

Jitka Sapara-Fischerova als Carmela und Sergej Tolstov als Rafaele haben ihren stimmlichen Zenit deutlich überschritten, fügen sich aber als Darsteller perfekt ein und tragen zum Gelingen des Abends bei.

 Die große Bühne ist manchmal bis zum Platzen gefüllt mit den Sängern der zahlreichen Nebenrollen, die ihre Sache alle sehr gut machen, und dem Chor. Der südtiroler Regisseur Manfred Schweigkofler führt Solisten und Chor sorgsam durch das Stück. Wie unterschiedlich die Solisten der beiden Bestzungen, die Ihre Rollen ja mit demselben Regisseur erarbeitet haben, diese umgesetzt haben, war interessant zu erleben.

Die Kostüme stammen von Concetta Nappi, die Bühnenbilder von Michele Olcese liefern einen gut passenden Rahmen. Aber obwohl sie einfach aussehen, kracht es beim Umbau zwischen zweitem und drittem Akt bei geschlossenem Vorhang auch in der vierten Vorstellung noch sehr laut und lang.

 Friedrich Haider leitete das große, mit „exotischen“ Instrumenten (Gitarren, Mandolinen, Ziehharmonika  etc.) angereicherte Orchester umsichtig und liebevoll. Sonderapplaus nach dem zarten Zwischenspiel zwischen zweitem und drittem Akt. Ihm ein besonderes DANKE!

 Wer also statt des hundertsten Rigolettos oder der tausendsten Zauberflöte eine tolle „neue“ Oper abseits des gängigen Repertoires erleben will: auf nach Preßburg! In der kommenden Saison steht „Der Schmuck der Madonna“ noch sechs Mal über das ganze Jahr verteilt am Spielplan. Aber achten Sie bitte darauf, daß Sie eine Vorstellung mit der Kohutkova erwischen! Plätze gibt es auch kurzfristig sicher reichlich, da das große Haus in Preßburg meist erschreckend schlecht besucht ist.

Und wenn Sie sich dann für Wolf-Ferrari begeistern: Sein „Sly“ kommt am 27. und 29. Mai 2016 als Gastspiel der Oper Szeged ins Budapester Erkel-Theater.

 Und abschließend: Martinus „Marienspiele“ in Brünn sollte man auch unbedingt erleben!

 Andreas Schnabl

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