Zürich: Gala-Konzert des IOS (Internationalen Opernstudios) – 6.7. 2015
Foto: Carlo Schueller
Die Spreu vom Weizen…
Das regelmässig vor der Sommerpause angesetzte Schlusskonzert des diesjährigen Kurses des Internationalen Opernstudios (IOS) stösst jeweils auf regen Zuspruch eines interessierten Publikums. Jeder macht sich so sein eigenes Urteil über die unterschiedlichsten Darbietungen der achtzehn Mitglieder des IOS. Da waren hübsche Darbietungen zu erleben, wo Talent sich zeigt, aber – um mit Fischer-Dieskau zu sprechen – noch Einiges zu tun ist, aber auch schon professionelles Niveau von Sängerinnen und Sängern, die bereits in der laufenden Spielzeit kleinere oder gar grössere Rollen im normalen Spielbetrieb übernommen hatten. So zeigt sich doch bald, wer bereits einen oder mehrere Schritte weiter ist und eventuell Aussicht auf eine Karriere haben könnte. Seltsamerweise ist es aber manchmal genau umgekehrt, dass junge Sängerinnen oder Sänger, die vielleicht nicht ganz so überzeugt haben, plötzlich ihren Weg finden und eine Karriere einschlagen. Nun, hier geht es aber nun um eine aktuelle Bestandes-Aufnahme. Vorausgeschickt sei, dass alle 18 Mitwirkenden erfreulicherweise optimal vorbereitet waren und eine gute Gesamtleistung erbracht haben.
Die Unterstützung durch das akkurat spielende und unter Leitung des musikalischen Leiters des IOS Thomas Barthel stehende Zürcher Kammerorchester (ZKO) war ein Gewinn. Sehr schön die Begleitung beispielsweise bei den Mozart-Stücken oder auch bei der Juwelenarie der Margarete. Diese wurde von Shelley Jackson wunderbar mit ausschwingender Stimme und persönlichem Charme gesungen. Die junge Amerikanerin hatte sich bereits mit ihrem mutigen Einspringen (für die absagende Marlis Petersen) in der Uraufführung von Christian Josts Oper „Rote Laterne“ nachhaltig empfohlen. Alles bei dieser Sängerin wirkte natürlich; die Bewegungen entwickelten sich aus dem musikalischen Erzählfluss und wirkten nicht aufgesetzt. Als Adina (L’Elisir d‘Amore) konnte sie mit Stimme und Charme brillieren, wo Airam Hernandez als Nemorino seinen apart timbrierten lyrischen Tenor erklingen liess. Dieser hatte bereits in der laufenden Spielzeit in vier Rollen in Martinus „Juliette“ durch seine Charakterisierungskunst begeistert. Die Werther-Arie sang er ansprechend, wobei er auf sentimentale Drücker wohltuend verzichtete. Mit brillanten Mezzo-Koloraturen begeisterte die blonde – etwas an Elina Garanca erinnernde – Estin Dara Savinova als Cenerentola. Nicht sehr gefallen konnte Alexei Botnarciuc (bereits als Capellio in Bellinis „I Capuleti e i Montecchi“ neben Joyce DiDonato eingesetzt) mit seinem rauen Bariton in der Arie „Infelice! E tu credevi“ des Silva aus Verdis „Ernani“: Zu wenig Kantilene und Phrasierung war da zu vernehmen, wohl aber ein erstaunliches baritonales Rohmaterial. Ansprechend waren die Darbietungen von Andri Björn Robertsson (Mozart-Figaro), Ivan Thirion (Figaro-Graf), Estelle Poscio in einer Arie aus Mozart’s „Il re pastore“ (der einzigen Schweizerin im diesjährigen Kurs). Weniger überzeugen konnte Yujoong Kim als Belmonte, während Bastian Thomas Kohl imposantes Bass-Material als Osmin vorweisen konnte. Iain Milne sang in merkwürdig wenig idiomatischem Italienisch die Arie „Se all’impero“ aus Mozarts Titus, aber mit sicherer Stimme und ebensolcher Musikalität. Sehr gut Spencer Lang in einer Szene aus Brittens „Albert Hering“: ideal in der Kombination aus Stimme und Darstellung: Bravo! Lin Shi sang etwas neutral mit hellem Mezzo das Lied des Stéphane (Gounod „Roméo et Juliette“), leicht in der Stimmgebung und ohne zu drücken. Roberto Lorenzi (als Lorenzo, wie sein Kollege Botnarciuc in Bellinis „Capuleti“ eingesetzt) war ein etwas monotoner Alidoro (Cenerentola), Oleg Loza als nicht überaus überzeugender Belcore (L’elisir d’amore) und Alexandra Tarniceru, die bereits die Giulietta in „Hoffmanns Erzählungen“ singt, war eine schön singende Micaela. Wunderschön sang Hamida Kristoffersen das Lied an den Mond, mit wunderbar warmer Mittellage und herrlich ausschwingender Höhe ohne jede Schärfe. – Sehr geschickt wurden die einzelnen Arien, Duette etc. in die jeweilige dramatische Situation eingebaut (Bewegungscoaching: Renata Blum), indem man die vorbereitenden Rezitative singen liess. Mit dem Finale aus Rossinis „L‘Italiana in Algeri“ fand das abwechslungsreiche Konzert seinen Abschluss.
Bravo für alle Mitwirkende!
John H. Mueller
John H. Mueller