Opernfestspiele – Richard Strauss‘ ELEKTRA – Evelyn Herlitzius – Was für ein Weib! – 16.07.2015
Meine persönlichen Strauss-Festspiele innerhalb der Münchner Opernfestspiele endeten nach Die schweigsame Frau und Arabella nun mit einer furiosen Elektra. So gebeutelt und innerlich erschüttert hat mich schon lange keine Opernaufführung mehr.
Dank sei Evelyn Herlitzius für dieses grandiose, aufwühlende Erlebnis. Diese zierliche Frau mit der Riesenstimme und den großen, sprechenden Augen ist ein „Bühnentier“ sondergleichen. Durch diese ihre Erscheinung wirkt ihre Elektra ungewöhnlich jung und besonders verletzlich. Und da sich Frau Herlitzius zudem in prachtvoller stimmlicher Verfassung befand, schlug sich das auch in der vokalen Seite nieder; endlich eine Hochdramatische ohne den berühmt-berüchtigten „Wobbel“, mit jugendlich strahlenden Tönen bis in Elektras extremste Höhen. Ein Gänsehaut-Ereignis eben.
Günther Groissböcks bassig autoritärer Orest und Golda Schultz‘ 5. Magd, mit lieblichem Sopran gesegnet, kamen Herlitzius‘ hohem Level am nächsten. Die wunderschönen Chrysothemis-Gesänge wurden vom Dirigenten leider mit etwas zu viel an Orchestergewalt beinahe zugedeckt, wodurch sich Adrienne Pieczonka, an sich eine ideale Chrysothemis, leider zum Forcieren verleiten ließ. Die Klytämnestra von Waltraud Meier ist ein ganz spezieller Fall. Die Sängerin genießt in München ja geradezu einen „Heiligenstatus“, dennoch ist die alte, heruntergekommene Königin keine ideale Rolle für sie. Dass sie „zu schön“ aussieht, ist eine Sache, aber stimmlich steht einer Idealinterpretation Meiers nicht allzu profundes Tiefenregister entgegen. Man hat wohl kaum jemals so schöne Höhen bei einer Klytämnestra gehört, aber die braucht man hier gar nicht unbedingt, dafür drohte in den tiefen Passagen oftmals „Versanden“. Auch hier ließ der Dirigent kaum Gnade walten (Herlitzius Stimme wirkte daneben besonders groß). Alle sogenannten Nebenrollen waren aus dem (jungen) Hausensemble bestens besetzt.
Am Pult Asher Fisch, ein routinierter Dirigent, der viele gelungene Dirigate an der STO absolviert hat. Unserem vorigen musikalischen Chef Kent Nagano lagen die großen Strauss-Opern so gar nicht (und er ließ oftmals Sänger hilflos „schwimmen“). Nach einer solchen Unglücksaufführung 2009 konnte, ja musste alles Folgende besser sein. Und das war es auch. Wenn man von den oben erwähnten orchestralen Kraftakten absieht, kümmerte sich Fisch bestens um die Sänger. Besonders bei Elektras Einsätzen war er stets umsorgend zur Stelle.
Die Inszenierung samt Ausstattung von Herbert Wernicke aus dem Jahr 1997 ist von zeitloser Optik, man kann sie sich immer wieder anschaun, und Elektras Positionierung auf einem Podest im rechten Vordergrund ist sicherlich ein Vorteil für die jeweilige Sängerin.
Beim Hinausgehen sah man viele schwer beeindruckte Menschen (ihren Aussagen gemäß) – es war einfach, trotz der kleinen Einschränkungen, die beste und aufregendste Elektra, die ich seit 2009 erlebt habe.
Dorothea Zweipfennig
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Fotos © W. Hösl