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BERLIN / Parochialkirche: TOSCA – konzertant am 17.07. 2015

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BERLIN/ Parochialkirche: TOSCA – konzertant am  17.07. 2015

Unbenannt

 

 Wenn im Juli die Komische Oper als Letzte der Berliner Opernhäuser ihre Pforten zur Sommerpause schliesst, war es das so ziemlich mit dem Genre “Oper” in den heißen Monaten der Hauptstadt. Festivals sucht man vergeblich und wenn, dann nur im entfernten Berliner Umland. Nicht ganz. Die Humboldt-Universität, keine eigentliche Ausbildungsstätte für Berufsmusiker, hat sich diese Lücke zum Vorteil gemacht und verwöhnt die Berliner an drei Terminen mit konzertanten Aufführungen von “Tosca”. Ein nicht ganz risikofreies Unterfangen, gehört doch Puccinis Meisterwerk nicht unbedingt zur einfachsten Opernkost. Man bedenke, Chor und Orchester sind keine Profi-Musiker. Das Symphonische Orchester sowie der Philharmonische Chor setzen sich seit 2003 aus Studierenden und Mitarbeitern der Humboldt-Universität zusammen um die Berliner über das Jahr verteilt mit Konzerten aller Art zu verwöhnen. Nach diversen sinfonischen Programmen steht nun also “Tosca” im Zentrum, Standardrepertoire auch der Berliner Opernhäuser mit wechselnden Stargästen in den Hauptpartien. Dem Vergleich muss man sich also stellen.

 Als Ort der konzertanten Darbietung wählte man die im 2. Weltkrieg stark zerstörte und nun nur noch als Rohbau fungierende Parochialkirche im Zentrum der Stadt. Die kalten Mauern wurden durch verschiedene Lichtstimmungen (deren Dramaturgie von Marie-Luise Uhle und Kenneth Chinea sich mir nicht immer erschloss) abwechslungsreich in Szene gesetzt. Akustisch nicht ganz ungefährlich, neigte doch das große Symponische Orchester ohnehin zur Lautstärke, tat der Kuppelbau sein Übriges dazu. Das “Te Deum” im 1. Akt hatte Potential die Mauern zu sprengen. Trotzdem überzeugte das Orchester mit Homogenität, geleitet von Prof. Constantin Alex, dem das Werk sichtlich am Herzen lag. Das eigentliche Ereignis aber war der Chor. So frisch und jugendlich mit fast infantilen Stimmen hat man Puccinis Chöre sicher noch nicht gehört. 

 Auch von den Sängern, welche mit Ausnahme des höchst engagierten Hirten von Nicole Schröter (einer Rechtswissenschaftsstudentin mit Schwerpunkt Kriminologie!!!) allesamt Profis sind, gibt es viel Positives zu berichten. Der vor allem durch die Operette geschulte dunkel-timbrierte Sopran der norwegischen Sopranistin Tonje Haugland in der Titelpartie vermochte zu beeindrucken. Wie sie sich die vertrackte Partie klug einteilte und auch bis zum Finale der Oper in allen Lagen überzeugte, ist eine beachtliche Leistung. Über die ein oder andere Höhenschärfe sieht man großzügig hinweg. Noch dazu ist Haugland ein Bild von einer Tosca und liefert mit roter Robe eine rassige Diva, die sichtlich mit Spass und Verve ihre Rolle ausfüllt. Nicht ganz so leicht hatte es da ihr Liebster Cavaradossi, gesungen vom charismatischen Angelo Raciti. Sein heller und eher weiß-timbrierter Tenor vermochte schon von Beginn an einem gewissen Bayreuther Lohengrin zu ähneln, der sich ebenfalls mal am Cavaradossi “vergriffen” hat und welcher die Gemüter ebenso im dramatischen Fach spaltet wie es bei Raciti sicher auch der Fall ist. Die Stimme ist im italienischen Fach nicht wirklich zu Hause, trotzdem überrascht seine strahlende Höhe, die er jedoch nicht bis zum Ende mühelos beibehalten kann. Ein anderes Kaliber ist da schon der Scarpia von Manos Kia. Hier steht ein aussdrucksstarker “Kerl” auf der Bühne, der seine Partie vollkommen verinnerlicht hat. Sein rauchig-kerniger Bariton hat keine Mühen die Orchesterwogen zu durchschreiten und er demonstriert mit kleiner Geste, wie großes Theater funktioniert. Christian Oldenburg hatte die Aufgabe neben dem Angelotti auch den Sciarrone und Schließer zu geben. Für Ersteren vermag sein schöner Bariton vielleicht eine Nuance zu hell und brav zu sein, dennoch ließ auch er den szenischen Aspekt der konzertanten Darbietung nicht außer Acht und überzeugte mit Haltung und Agilität. In den übrigen Rollen hörte man Silvan Hilaire als Mesner, der jedoch manchmal den Kampf gegen das Orchester verlor, und Joseph Schnurr als bemühten Spoletta.

 Gesungen wurde übrigens durchweg auswendig, vom Chor sowie von den Solisten, was bei einer konzertanten Vorstellung nicht immer der Fall ist und hier löblich erwähnt werden soll. Somit wäre allerdings auch mehr Spielraum für etwas Szene gewesen, die sich bei einer so dramatisch geladenen Oper wie “Tosca” förmlich anbieten, bis auf wenige Ausnahmen aber leider nicht umgesetzt wurde. Oft standen die Sänger nur fad zusammen und sangen aneinander vorbei. Auch die Lösung mit der Ermordung Scarpias (ein Faustschlag Toscas in die Luft) war eher unglücklich gewählt. Hier wäre noch Spielraum zur Verbesserung. Alles in allem jedoch ein gelungener Abend, der die Musikszene Berlins durchauchs bereichert und vom überwiegend jungen Publikum dankbar gefeiert wurde. 

 Barbara Rosenrot

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