Ab 8. August 2015 in den österreichischen Kinos
LEARNING TO DRIVE – FAHRSTUNDEN FÜRS LEBEN
Learning To Drive / USA / 2014
Regie: Isabel Coixet
Mit: Patricia Clarkson, Ben Kingsley, Grace Gummer, Jake Weber u.a.
Wenn eine Frau in ihren Fünfzigern nach jahrzehntelanger Ehe von ihrem Mann verlassen wird, weil der Professor eine Jüngere gefunden hat, ist das zwar nicht unalltäglich, aber allemale tragisch für die betroffene Frau. Wenn man allerdings die Buchkritikerin Wendy Shields kennen lernt, kann man sich schon vorstellen, dass das Zusammenleben mit ihr nicht gerade eine Wonne war. Zumindest hier durchbricht der Film der katalanischen Regisseurin Isabel Coixet, die durchaus für ihren festen Zugriff auf Themen bekannt ist, das Opferschema.
Also: die unliebenswürdige Wendy, gespielt von Patricia Clarkson (die von sich sagt, für sie fielen die Rollen ab, die Meryl Streep ablehnt…), muss sich auch von ihrer erwachsenen Tochter (Grace Gummer), die ja durchaus nett mit der Mama sein will, auf Umwegen sagen lassen, dass sie den Vater versteht, und dieser Ted (Jake Weber) wirkt begreiflich genervt, wenn er sich von keiner Szene und keinem Bitten und Betteln ablassen will, an der Seite einer anderen einen besseren Alltag zu erhoffen.
Der Taxichauffeur Darwan Singh Tur (Ben Kingsley auf voller Höhe seiner bekannten, differenzierten Schauspielkunst) kreuzt das Leben von Wendy per Zufall, erlebt eine Szene mit dem Gatten mit, bringt sie heim, zeigt Anteilnahme. Diesen Darwan Singh Tur lernt man dann auch kennen – ein Sikh mit Turban, der, wie man später erfährt, in den USA, wo er bereits mit Paß heimisch ist, durchaus Professor sein könnte. Das hieße allerdings, sich von seiner Identität (samt Turban) zu trennen (zuhause sieht man ihn mit einem hochgesteckten Haarschopf), in Kleidung und Stil in der neuen Umgebung aufzugehen. Weil er den Preis nicht zahlen will, lebt er das Unterklasse-Leben eines Taxichauffeurs – und er hat gelernt, möglichst nicht aufzufallen und nicht anzuecken, um keinerlei Ressentiments seiner Umwelt aufbrechen zu lassen… Er lebt mit einem Neffen zuhause, der illegal hier ist und als U-Boot in den Schrank kriecht, wenn die Fremdenpolizei nachfragt. Und eines Tages mit einer Frau namens Jasleen (Sarita Choudhury), die er nicht kannte, bevor sie – von seiner Schwester daheim ausgesucht – kam, um ihn zu heiraten… Eine Ehe, die sich anfangs sehr schwer tut und erst Chancen hat, nachdem die Frau bei anderen Inderinnen in Amerika lernt, wie man mit dem Alltag umgeht.
Diese beiden schön umrissenen Schicksale, Wendy und Darwan, jeder einbettet in seine Welt, sie als Intellektuelle, er in seinem indischen Biotop inmitten der Amerikaner, vernetzen sich nun, weil Wendy, die gewohnt war, dass „mein Mann fährt“, plötzlich keine Möglichkeit hat, sich mit eigenem Auto zu bewegen. Die Fahrstunden, die Darwan ihr gibt, werden nun dank seiner ruhigen Lebensweisheit zur tiefen Erfahrung für die hektische Wendy – und da rasselt der Film, samt der aufgebauten Zuneigung zwischen den beiden, sofort knietief in den Kitsch. Auf einmal ist alles weltweise, östliche Besinnung gegen westliche Hektik, die Probleme können durch innere Werte gelöst werden und was Drehbücher und billige Romane noch so erzählen. Und das ist sehr, sehr schade angesichts dieser Darsteller, die den Film immer noch sehenswert machen.
Aber wenn allzu sehr der Beigeschmack „Frauenfilm“ hochkommt, dann klingt das wie früher „Frauenroman“: nicht wirklich gut…
Renate Wagner