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BAYREUTH: GÖTTERDÄMMERUNG

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Bayreuth: Götterdämmerung  14.8.2015


Allison Oakes (Gutrune). Foto: Bayreuther Festspiele

 In der Götterdämmrung haben wir es nicht nur mit der größten musikalischen Verdichtung, sondern auch mit der größten szenischen, seitens Regisseur Frank Castorf  zu tun. Hier werden tatsächlich größte Geschütze in jeder Hinsicht aufgefahren. Nicht umsonst wollte Edward Bond, der Librettist H.W.Henzes, seinem Komponisten unbedingt einmal in eine Götterdämmerung-Aufführung mitnehmen. Dieser Besuch hat Henzes Kompositionsstil allerdings nicht entscheidend verändert…

 Kirill Petrenko gestaltet das Werk, in dem neue Welten aufeinandertreffen, die Götterwelt untergeht und ein menschliches Drama zu einem Neuanfang führen kann, abschließend grandios. Mit besonderer Sorgfalt und immer klarst ausgehört, lässt er die tragenden Leitmotive exekutieren, es gelingen ihm im Orchester herrlich musizierte Übergänge, und die Neumotivik der Götterdämmerung, so die Giebichungenhalle, die Waltraute-Szene oder die Speereid-Monologe lässt er sehr spannend einführen. Ein exakt punktgenau rhythmisch gesetzter Siegfried-Trauermarsch wirkt betörend global gespielt und führt zum gloriosen Ende dieses 2. Zyklus’.

 Nach einer mit Heiligen- motivbefrachteten orientalisch-orthodoxen Nornenszene, die an entsprechende Episoden in Walküre und Siegfried anknüpft, werden wir von Castorf in seine Giebichungenwelt eingeführt, ein Konglomerat aus einem noch realsozialistischen Ostberlin, allerdings mit Dönerbude und Obstladen, eine etwas schmuddelige Hinterhof-Atmosphäre. Siegfried fährt sofort auf die sich in im Campingwagen schön machende Gutrune ab und nimmt sie sich, schon bevor der Vergessenstrank zum Einsatz kommt. Mit Rüschenkleid, orientalisch angehauchtem Hosenensemble und später einer gepunkteten Minikleidvariante (Kost.: A. Braga Peretzki ) wirkt sie auch immer sehr anziehend als stolze Isetta-Neubesitzerin. Ihre (Halb)geschwister Hagen und Gunther sind auch sehr eigentümliche Typen, die für die sich auftuende Macht- und Ehevariante alles in Bewegung setzen. Interpolierend die Waltrautenszene, die beiden ehemaligen Walküren fetzen sich richtig, Waltraute geht aufs Interieur von Brünnhildes Wohnwagen los, diese lässt sich aber nicht beeindrucken, wird dann aber von Siegfried überwältigt, der ihr im asiatischen Look als Gunther Schrecken einjagt. Hoch her geht es bei Giebichungs Doppelhochzeit;  der Chor wird dabei in der Dönerbude verköstigt, wo sich Patric Seibert als exzellenter Koch beweist, und nimmt von den Speereidmonologen Siegfrieds und Brünnhildes Fähnchen schwingend kaum Notiz. Die Dreierverschwörung findet bei gedrehter Bühne auf einer großen Treppe und mit der Werbung “Plaste und Elaste aus Schkopau”, die es Castorf besonders angetan hat, statt. Weiter wie im letzten Jahr mit der Rheintöchter-Reprise, dem antizipierten Gangstertod: die blutüberströmte Leiche von Patric Seibert, im Kofferrraum des Luxusmercedes deponiert, und dort vom erschrockenem Siegfried entdeckt. Naturgemäß dauert seine letzte Liebe Woglinde nur äußerst kurz, da Hagen ihn mit einem Rohr erschlägt. Hagen ist bis zum Schluss präsent, er kann aber nur noch Öl aus den Fässern aus Buna/Schkopau auf Siegrieds Leiche herabfließen lassen. Brünnhilde sorgt vor dem klassizistischen Börsentempel ‘New York Stooking’ für die End-Auflösung, immer assistiert von den Rheintöchtern, die sich den Ring von Hagen nicht mehr abluchsen lassen. Brünnhilde gießt Benzin um den kapitalistischen Tempel, einen Brand desselben verkneift Castorf sich jedoch.

 Die ausnehmend schön  für Augen und Ohren agierenden Rheintöchter sind Mirella Hagen/Woglinde, Julia Rutigliano/Wellgunde und Anna Lapkovskaja/Floßhilde. Letztere singt mit üppig herrlichem Mezzo auch die 1.Norn, Claudia Mahnke und Christiane Kohl brillieren beide in ähnlichen Stimmlagen als 2. und 3. Norn und wirken wie eine rote, eine goldene und eine schwarze Königin. Allison Oakes kann Siegfried auch mit stimmlichen Mitteln, einem kristallin klaren Sopran, umgarnen, bzw. ihm Gegenpart bieten. Albert Dohmen legt noch mal einen  geheimnisvoll düsteren Abgesang ‘Hagen schläfst du mein Sohn’ hin. Alejandro Marco-Buhrmester kann mit seinem seinem pechschwarzen Baßbariton als Gunther stechen/im Gegensatz zu seinem schlohweißen Haarschopf. Ein ganz großes Plus stellt der Hagen des Stephen Milling dar. So voluminös und abgrundtief böse, dabei mit geschmeidigen wohlklingem Sonorbaß ausgestattet, geht seine Detailplanung doch den Rhein hinunter, da Brünnhilde trotz ihrer Beteiligung am Siegfried-Komplott wieder die Fäden an sich zieht und in Gestalt von Catherine Foster gesanglich phänomenal das ‘Weltende’ zelebriert. Aber auch ihre frühere Gegenspielerin Waltraute/Claudia Mahnke kreiert für mich erstmals einen tollen Part. Sie gibt ihren Gesangsphrasen den nötigen Drive, und mit manchmal fast schneidendem Mezzotimbre mischt sie der Stimme auch einen angenehmen Belcanto bei, der sie die gewichtige Walküren-Position einnehmen lässt. Auch Stefan Vinke wirkt im Vergleich mit seinem ‘jungen Siegfried” wie ausgetauscht. Nun ist das Timbre irgendwie ‘freigesungen’, einfach rund und schön, es gelingen ihm auch toll ausgesungene Höhenphrasen. Ein Prunkstück die Erzählung aus seinen jungen Tagen, die er einzigartig ausgestaltet.           
Friedeon Rosén                                        

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