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CAMPO IMPERATORE / Hotel Refugio: OPERAZIONE QUERCIA von Pier Francesco Pingitore

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CAMPO IMPERATORE/ Hotel Refugio: OPERAZIONE QUERCIA von Pier Francesco Pingitore am 24.8.2015

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In einer der berühmtesten Kommandoaktionen der Geschichte ist Benito Mussolini am 12.September 1943 von Fallschirmjägern und Segelfliegern unter der Führung des österreichischen SS-Obersturmbannführers Otto Skorzeny aus dem Hotel Refugio Campo Imperatore (1996 m) “befreit” worden. Dort war der abgesetzte Duce seit dem 28. Augustfestgehalten worden. Das Wort ” gefangenhalten ” greift ein wenig zu hoch, denn er lebte in einerSuite und konnte im Prinzip machen, was und empfangen, wen er wollte (er nützte die Zeit sogar,um mit dem Aushilfszimmermädchen den ihm total ähnlich schauenden italienischen Fernsehpräsentator Bruno Vespa zu zeugen).

Der “Hausarrest” im Hotel Refugio Campo Imperatore entbehrte insofern nicht einer gewissen Ironie, als es Mussolini selbst auf dem Höhepunkt seiner Macht gewesen war, der dieses Bergressort in den Dreißiger Jahren errichten ließ. Es galt als Inbegriff der Modernität und des Luxus, und alles, was Rang und Namen hatte – römische Aristokratie und Bourgeoisie, die gesamte Nomenklatura des faschistischen Regimes – gab sich dort im Winter skifahrend ein Stelldichein.

Heute ist der einstmals stolze, in “pompeianischen Rot” gehaltene, Bau auf erschreckende Weise verfallen und heruntergekommen.  Zwar ist darin immer noch ein Hotel, ein Restaurant und eine Bar untergebracht  (die in erster Linie von alpinistischen Tagestouristen frequentiert werden), aber da der Eigentümer, die Stadt L’Aquila, die Pachtverträge immer nur für 6 Monate verlängert, kann man sich vorstellen, dass hier seit dem 12.September 1943 kein Groschen mehr investiert worden ist.

Nur die im Stil der “Frankfurter Einbauküche ” gehaltenen Zimmer und der einstige Speisesaal zeugen noch ein wenig – bei sehr viel Phantasie – von vergangener Pracht. In eben diesem Speisesaal hat Pier Francesco Pingitore (Autor und Regisseur) jetzt sein Stück “Operazione Quercia” (Operation Eiche, Name besagter Kommandoaktion) zur Aufführung gebracht.

Zu befürchten stand, einer Billigsdorfer-Produktion für Faschismus-Nostalgiker beiwohnen zu müssen. Aber Pingitore, dem es nach eigener Aussage darauf ankam, “die menschliche Seite des vom Machtverlust gezeichneten, sogar einen Selbstmordversuch unternehmenden Ex-Duce zu zeigen” und ihn “wie eine tragische Shakespeare-Figur” darzustellen, umschifft diese Klippen geschickt.

Sein Text, wenn auch ziemlich didaktisch und ein wenig schulfunkartig, bewahrt immer das historische Gleichgewicht und gäbe etwaigen Schwarzhemden im Publikum (die, wenn sie anwesend gewesen sind, zumindest nicht so gekleidet waren) keinen Anlass zu Retro-Jubel.

Und auch seine Regie ist – auch und gerade für italienische Verhältnisse – außergewöhnlich professionell, präzise und zurückhaltend.

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Schlussapplaus. Foto: Dr. Robert Quitta

Abgesehen von der Aura des “Originalschauplatzes” sorgten ein paar wenige, sorgfältig ausgewählte Bühnenelemente, geschmackvolle, die Personen geschickt charakterisierende Kostüme, ein diszipliniert agierendes Ensemble (Luca Biagini, Federico Perrotta, Valentina Olla, Morgana Giovannetti, Barbara Lo Gaglio, Alessandro Tirocchi, Marco Simeoli) und dazu noch drei schwungvolle, die glücklichere Vergangenheit Mussolinis repräsentierende Tanzeinlagen(“Beviam”,”Lippen schweigen”,”Bolero”) dafür, dass man es nicht bedauerte , den weiten Weg mit der Seilbahn hierherauf unternommen zu haben.

” Operazione Quercia ” – ein gelungenes Beispiel für eine gelungene “orts-spezifische” Produktion.

Robert Quitta, Campo Imperatore

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