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Ab 4. September 2015 in den österreichischen Kinos
KIND 44
Child 44 / USA, GB / 2015
Regie: Daniél Espinosa
Mit: Tom Hardy, Noomi Rapace, Gary Oldman, Joel Kinnaman, Vincent Cassel, Charles Dance u.a.
Von der Handlung her wäre das einfach ein Krimi – ein Polizist in Uniform stößt auf eine größere Anzahl von Kindesmorden, und der Täter… na, der soll nach Wunsch der Behörden gar nicht gefunden werden. Eine normale Geschichte, wie man sie oft gesehen hat.
Was dieses „Kind 44“ so erschreckend und dann auch unerfreulich macht, ist der historische Rahmen des Ganzen: Das stalinistische Russland des Jahres 1953. Da denkt man doch immer, unter den Nazis sei es unerträglich zugegangen. Dann soll man sich diesen Film ansehen – oder eigentlich nicht. Denn sich in diese Welten zu begeben, grenzt an Masochismus. Übrigens fanden das auch die russischen Behörden: Sie verhinderten, dass diese Produktion in Russland anlief. Wahrscheinlich wollen sie an diese Zeit brutalster politischer Willkürherrschaft gar nicht erinnert werden.
Daniél Espinosa, der Chilene mit schwedischem Paß, der in Hollywood mit dem Polit- und Action-Reißer „Safe House“ seinen bisher größten Erfolg hatte, erzählt hier eine noch viel düsterere Geschichte, die – und bei solchen Namen horcht man ja doch auf – unter ihren Produzenten keinen Geringeren als Ridley Scott aufweist, der den Film anfänglich sogar selbst inszenieren wollte. Das ist verständlich, in solchen Welten kennt er sich aus. Nur dass es nicht Sci-Fi ist, sondern rückwärts gewandter, ganz alltäglicher Horror.
Dazu kommt, dass Leo Demidow, mit dem Fall der ermordeten Kinder befasst, in Gestalt von Tom Hardy anfangs gar keinen besonders positiven Eindruck macht. Man käme nicht auf die Idee, dass dieser scheinbar so linientreue Kommunist in der Uniform der Unterdrücker letztendlich der Held ist, der sich gegen eine korrupte Bürokratie wendet: Die möchte nämlich nicht zulassen, dass es in Stalins glorreichem Reich überhaupt so etwas wie Verbrechen gibt (es sei denn, es handle sich um Systemkritiker – Massenmörder kehr man unter den Tisch).
Die diversen Intrigen – jeder gegen jeden – werden nach und nach ziemlich undurchsichtig. Immer wieder überlagert die Darstellung einer brutalen Sowjet-Wirklichkeit anno Stalin die Spannung an der Kriminalhandlung, die oft in den Hintergrund tritt angesichts von Verhaftungen, Brutalitäten, Denunziationen, Folter.
Es wirkt vordringlich wie eine Sozialstudie, an der dann auch Noomi Rapace (als Demidows Gattin), Gary Oldman, Joel Kinnaman, Vincent Cassel beteiligt sind, einer undurchsichtiger als der andere. Eine Welt in Angst und Schrecken vor den willkürlichen Apparatschiks – und gerade weil die in der Ausstattung so frappante Echtheit des Milieus dem Zuschauer entgegen springt, hat das US-Publikum beschlossen, dass man dergleichen nicht sehen will. Es würde nicht wundern, wenn „Kind 44“ auch hierzulande ein Flop wird.
Renate Wagner