Fotos: Reinhard Reidinger
WIEN / Vienna’s English Theatre:
ANNAPURNA von Sharr White
Premiere: 8. September 2015,
besucht wurde die Voraufführung
Man ist immer wieder froh, neue Stücke zu sehen, und „Annapurna“ von Autor Sharr White, auch eher neu in der amerikanischen Dramatikerszene, kam erst letzten April Off-Broadway heraus. Mit guten, wenn auch nicht stürmischen Kritiken – der klassische Fall eines praktischen Well Made Plays, ein Bühnenbild, zwei Darsteller und auch noch 90 Minuten kurz. Und sie werden einem auch nicht lang.
Schauplatz ist ein wahrlich herunter gekommener Wohnwagen (Hans Kudlich), und die Kostümbildnerin (Erika Navas) hat dem Hausherrn anfangs nur ein Schürzchen über gar nichts (Hose kommt erst später) umzubinden, denn es ist offenbar sehr heiß da oben in den Rocky Mountains. Wo er nichts weiter will, als sich zum Gebell seines Hundes irgendein Essen zu kochen. Als eine Dame hereinstürzt…
Man muss die Handlung nicht erzählen, nur so viel, dass die beiden einmal verheiratet waren, sie vor 20 Jahren samt Kind vor ihm davon gelaufen ist, und er (er heißt übrigens Ulysses) nicht sehr erfreut ist, seine Ex, diese Emma, zu sehen. Natürlich müssen die beiden nun in den nächsten eineinhalb Stunden schwere Beziehungs-Aufarbeitung leisten, wobei die einzige Spannung darin besteht – wer ist nun da der/die Gute, wer der/die Böse gewesen, und welche Geheimnisse stecken hinter Trennung, hinter der Figur des Sohnes (der angekündigt wird, aber nicht auftritt), wie viel Groll wird – natürlich humoristisch, das Publikum soll sich ja unterhalten – aufgewühlt, wie viel alte Liebe blinzelt hervor, was zum Teufel ist damals eigentlich schief gegangen? Die Pointe ist tragisch, aber so wirklich Besonderes ist dem Autor nicht eingefallen. Doch „Wer hat Angst vor Virginia Woolf“ schreibt sich ja auch nicht täglich…
Howard Nightingall und Kate Gleason spielen es kompetent, aber nicht übertrieben brillant in der Regie von Adrienne Ferguson, das „Annapurna“-Gleichnis (ist eine Liebe so kompliziert wie das Ersteigen eines Himalaya-Gipfels?) scheint hoch gegriffen, das Ganze ist ordentliches Gebrauchstheater, nicht mehr, nicht weniger. In Jubel wird man nicht ausbrechen. Wer auf unterhaltsame Art seine Englisch-Kenntnisse erproben will, kann allerdings schadlos den Preis einer Eintrittskarte investieren.
Renate Wagner