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BERLIN/ Festspiele: MAHLER CHAMBER ORCHESTRA unter Sondergard (Nielsen, Berg) mit Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier)

Berliner Festspiele: Das Mahler Chamber Orchestra mit Werken von Carl Nielsen und Alban Berg, Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie, 9.9.2015

Isabelle Faust (Violine), Alexander Melnikov (Klavier) und der Dirigent Thomas Sondergard sorgen für eine Sternstunde bei Bergs Kammerkonzert für Klavier und Geige mit dreizehn Bläsern

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Alexander Melnikov, Isabelle Faust. Foto: Kai Bienert

Die Musikwelt feiert in diesem Jahr die 150. Wiederkehr des Geburtstages von Carl Nielsen, und das Musikfest Berlin präsentiert Nielsens Musik in einem Porträt von sechs Konzerten – mit seinen symphonischen Werken und Streichquartett-Kompositionen, aufgeführt vom Danish String Quartet, The Royal Danish Orchestra, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und von den Berliner Philharmonikern. Den Auftakt gestaltete das Mahler Chamber Orchestra mit der Sechsten Symphonie, der „Sinfonia Semplice” (1925) in der Bearbeitung für Kammerorchester durch den beim Konzert anwesenden, 1952 geborenen dänischen Komponisten Hans Abrahamsen.

 Die viersätzige Symphonie voller polyphoner Einsprengsel, Rückgriffe auf nationale Farben und frecher Zwölftonexperimente (im Gegensatz zu Alban Berg ohne Zahlensymbolik oder Tonbuchstabenrätsel) steht ganz im Zeichen eines spielerische, aleatorisch anmutenden kompositorischen Ansatzes, der nicht  nur den hervorragenden jungen Musikerinnen und Musikern des Mahler Chamber Orchestra sichtlich Freude bereitete, sondern auch dem trotz schwieriger Programmatik zahlreich erschienenen Publikum. Thomas Sondergard vermochte es ausgezeichnet, den temperamentvollen Witz, das überraschend Koboldhafte à la Strawinsky oder Hindemith, aber auch die elegischen Momente in höchster Klangtransparenz herauszuarbeiten. Wie Tomi Mäkelä im Booklet richtig anmerkt, gibt es bei Nielsen keine Überfüllung, Pomp oder dekadente Ekstase. Wenngleich der Komponist seinen Anspruch, die „größte mögliche Einfachheit“ anzustreben, nicht einlösen kann, komponiert er aber tatsächlich „aus dem Charakter der einzelnen Instrumente heraus“. Und hier leisten die 24 Mitglieder des Mahler Chamber Orchestra Erstaunliches. Es ist nicht schwer, dem spiritus rector und inspirierenden Dirigenten Thomas Sondergard, einem jungen, temperamentvollen, quirligen Blondschopf mit präziser Zeichengebung, eine glänzende Zukunft in seinem Metier vorauszusagen.

Nach der Pause folgte Alban Bergs Kammerkonzert für Klavier und Geige mit dreizehn Bläsern und der absoluten Starbesetzung mit Isabelle Faust und Alexander Melnikov, das Berg Schönberg zu seinem 50. Geburtstag widmete. Die beiden Solisten haben schon zahlreiche maßstabsetzende Einspielungen beim Label „harmonia mundi“ vorgelegt, die sich auch nach dem Konzert in einer Autogrammstunde auch tapfer signierten. Davor hatten sie aber ihre Aufgabe als Solisten in dem technisch höchst anspruchsvollen Werk nicht nur mit Bravour, sondern mit schwebender Eleganz und Leichtigkeit absolviert. Vor allem Isabelle Faust entlockt ihrer „Dornröschen“-Stradivari von 1704 wahrlich magische Töne. Wie von einem anderen Stern erklingen die teils sphärischen, teils witzigen Antworten auf das in tollkühner Manier alle Extreme auskostende Bläserensemble. Und Frau Faust gelingt es sogar noch in den Pianissimi, die schwierige Klangbalance zu den doch mächtig expansiven  Holzbläsern, Hörnern und Trompete zu wahren. Theodor Adorno sagte einmal, dass ihm das Lesen der Partitur mehr Freude bereite als die Aufführungen. Falls nun der Gegenbeweis zu Adornos These angetreten werden kann, so mit dem denkwürdigen Konzert am 9.9. in der Berliner Philharmonie.  Sondergard und sein Klüngel der tapferen dreizehn gelingen trotz teils sperrigster Zwölftonmanier lustvoll animierte, wie aus dem Augenblick improvisierte Miniaturen der instrumentalen Interaktion. Hier trägt auch Pianist Alexander Melnikov seinen Part mit wie bei ihm gewohnt technisch brillantem, kraftvollem Zugriff. Faust und Melnikov vermögen es, dem Hörer glauben zu machen, dass sie sich spontan wie Zerbinetta in der Ariadne in die „Handlung“ mischen, indem sie genau dem Bläserensemble lauschen, um den richtigen Zeitpunkt für ihren „Kommentar“ zu finden. Die Zeit vergeht selbst bei Berg im Nu und alle werden am Ende begeistert und ausgiebig vom Publikum gefeiert. Denkwürdig!
Anmerkung: Im Foyer der Philharmonie wurde vor Beginn des Konzertes eine Ausstellung zu Leben und Werk Carl Nielsens eröffnet. In Bild und Text werden die verschiedenen Stationen seines Lebens und die Vielseitigkeit seines Schaffens gezeigt. Carl Nielsen wird als ein Komponist charakterisiert, den seine ländliche Herkunft, aber auch das Leben in der Metropole Kopenhagen geprägt hat. „Musik ist Leben – auch sie ist unauslöschlich“, so Nielsen im Jahr 1916 im Programm zu seiner Vierten Sinfonie. Diese Verbindung von Kunst und Leben spiegelt sich in der abwechslungsreichen Präsentation der Ausstellung wider. Sie vermittelt, wie ein bewegtes Leben und große Schaffenskraft ineinander fließen und sich gegenseitig bedingen und bereichern.

Dr. Ingobert Waltenberger

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