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DRESDEN/ Frauenkirche: SABINE MEIER UND DIE ACADEMY OF ST. MARTIN IN THE FIELDS

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Dresden/Frauenkirche: SABINE MEIER UND DIE ACADEMY OF ST. MARTIN IN THE FIELDS – 12.9.2015

Unbenannt
Foto: Ingrid Gerk

Die Academy of St. Martin in the Fields, 1958 von Neville Marriner aus einer Gruppe sehr guter Mitglieder der großen Londoner Orchester als reines, kleines Streichorchester ohne Dirigenten gegründet, das anfangs in der Londoner Kirche St Martin-in the-Fields auftrat, wurde wenig später durch Bläser ergänzt, und Marriner übernahm die Funktion des Dirigenten. Seit 2000 ist Murray Perahia Principal Guest Conductor und seit 2011/12 der amerikanische Stargeiger Joshua Bell musikalischer Direktor. Unter Neville Marriner setzte das Orchester seinerzeit sehr hohe Maßstäbe und begründete damit seinen herausragenden internationalen Ruf, der ihm immer noch und immer wieder vorauseilt.

Das Orchester hat sich mit seinen modernen Instrumenten auf Barockmusik und Wiener Klassik spezialisiert und erreicht damit einen besonderen Wohlklang und großartige Klangfülle, wendet sich aber auch dem romantischen und zeitgenössischen Repertoire zu. Bei seinem Konzert in der Frauenkirche widmete es sich ausschließlich der Klassik und Romantik, was der Akustik des barocken Kirchenraumes sehr entgegenkam.

Trotz größerer Besetzung spielten die Orchestermusiker ohne Dirigenten, nur intern geleitet vom 1. Konzertmeister. Sie haben sich ihren kollegialen Geist und ihre Flexibilität bewahrt, wenn auch hin und wieder nicht alles immer tempomäßig ganz ausgeglichen schien.

Die fünfsätzige „Serenade für Streichorchester E‑Dur“ (op. 22) von Antonín Dvořák war nicht ganz frei von kleinen Unstimmigkeiten, beeindruckte aber dennoch durch einen weichen, schönen, der böhmischen Mentalität nachempfunden Streicherklang, sehr geschmeidig und klangvoll und mit guter Diktion. Sie begannen die Serenade mit sehr feinem Piano und ließen sie auch so ausklingen. Bei einigen temperamentvollen Sätzen, die diesem Kammerorchester offenbar besonders liegen, blühte der Klang wunderbar auf, so schön, wie man diese Sätze nur sehr selten hört. Andere Sätze wirkten dagegen etwas verhaltener. Wenn auch die einzelnen Sätze etwas unterschiedlich gelangen, brachten doch die Streicher mit viel musikalischem Gefühl die Klangschönheit des Werkes insgesamt zum Ausdruck.

Jedes Jahr arbeitet das Orchester mit prominenten Dirigenten und Solisten zusammen, in diesem Jahr u. a. mit der Ausnahme-Klarinettistin Sabine Meyer, die schon öfters in der Dresdner Frauenkirche zu Gast war, auch mit dem „Konzert für Klarinette und Orchester A‑Dur (KV 622) von Wolfgang Amadeus Mozart, das sie meisterhaft beherrscht und immer wieder glanzvoll interpretiert. Man hört es immer wieder gern von ihr. Sie beherrscht die gesamte Ton-Skala und die ganze Palette differenzierter Abstufungen, vom feinsten Pianissimo bis zum Forte. Ihre „Ur“‑Musikalität, Frische und Exaktheit, Tonreinheit und Hingabe faszinieren immer wieder von neuem.

Mit sehr feinem, schlichtem, schlankem, sehr klarem, warmem und weichem Ton (auch in der Tiefe), mit gekonnter Phrasierung und sehr natürlichem, nur der Komposition verpflichtetem Ausdruck ließ sie die Klarinette „sprechen“ und Mozart „zu Wort kommen“. Unwillkürlich fasziniert sie immer wieder durch ihre schlichte, aufrichtige Art und Musizierfreude, eine Persönlichkeit, die ganz der Musik verhaftet ist. Die Musiker von St. Martin in the Fields gingen mit, harmonierten (bis auf geringe Temposchwankungen) mit ihr und gestalteten lebhaft die reinen Orchesterpassagen, klangschwelgerisch und mit musikantischer Frische, insbesondere beim sehr schön gestalteten 3. Satz („Adagio“).

Verständlicherweise schien den englischen Musikern ihr Landsmann Edward Elgar und seine „Introduktion und Allegro für Streichorchester (op. 47) ganz besonders am Herzen zu liegen. Sie spielten mit viel Enthusiasmus und schöner Klangwirkung und brachten so dem Publikum die Musik ihres Landsmannes nahe.

Hatten sie sich von Dvořák bis Elgar immer mehr gesteigert, gab es jetzt noch eine besondere Überraschung, die “Symphonie Nr. 45 fis‑Moll“ (Hob 1:45) „Der Abschied“ von Joseph Haydn, deren 1. Satz („Allegro assai“) sie mit Vehemenz und harmonischer Klangfülle in gekonnter Stufendynamik spritzig und dynamisch „wie aus einem Guss“ spielten. In solch „geballter“ Klangwirkung wird man diesen Satz nicht so bald wieder hören. Der zweite und die folgenden Sätze wurden dann etwas zurückhaltender gespielt, verfehlten aber auch ihre Wirkung nicht. Nur die Bläser schienen gelegentlich Mühe mit der Temperatur zu haben, „fingen“ sich aber geschickt wieder.

Schließlich „verabschiedeten“ sich die Musiker „nach alter Sitte“ nacheinander und „einzeln“ lautlos mit ihren Instrumenten (ohne jedes ungewollte „Nebengeräusch“). Wenn man sich auch das zurückbleibende Duo von 1. Konzertmeister und seinem „Stellvertreter“ gern noch etwas „nachdrücklicher musikalisch bittend“ und mit „seelenvoller Hingabe“ gewünscht hätte, war es doch ein Abend voller Klangschönheit und Harmonie, bei dem nicht äußere Effekte, sondern die Komponisten mit ihren Werken im Vordergrund standen.

 Ingrid Gerk

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