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MAN LERNT NIE AUS

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FilmCover Man lernt nie aus~1

Ab 25. September 2015 in den österreichischen Kinos
MAN LERNT NIE AUS
The Intern / USA / 2015
Drehbuch und Regie: Nancy Meyers
Mit: Robert De Niro, Anne Hathaway, Rene Russo u.a.

Kino kann alles, von der bittersten Realität bis zur irrsten Fantasy, von der höchsten Kunst bis zum primitivsten Tschin-Bum. Warum soll eine schöne Komödie nicht das alte Traumfabrik-Hollywood beschwören – in dem Sinn, dass die Welt dargestellt wird, wie man sie gerne haben möchte, und nicht, wie sie ist?

Also, warum soll eine ausgesprochen attraktive, ausgesprochen tüchtige, ausgesprochen liebenswerte junge Frau um die 30 nicht die große Karriere gemacht und einen Online-Modeversand aus dem Boden gestampft haben? Warum soll ihr Mann, einst auch Geschäftsmann, sich nicht um die gemeinsame kleine Tochter kümmern und vollinhaltlich „Hausmann“ sein – wir leben im 21. Jahrhundert! Und die Mütter am Spielplatz, die über die Gattin eines freiwilligen „Staying Home Dad“ (wir haben ja für alles unsere Bezeichnungen) die Nase rümpfen, haben absolut unrecht, der Konkurrentin die Karriere und Selbstverwirklichung nicht zu gönnen. (Und dann noch versuchen, den vernachlässigten Gatten schnappen – das ist fies!)

So lernt man einmal Jules Ostin in Gestalt der absolut hinreißenden Anne Hathaway kennen (und als Kino-Experte denkt man, sie hat wohl in „Der Teufel trägt Prada“ als Assistentin von Meryl Streep gelernt, wie sich eine Chefin besser nicht benimmt): Diese Jules möchte alles richtig machen, und im Job, wo sie im Großraumbüro unter ihren 200 Angestellten herumfegt und überall selbst Hand anlegt, gelingt ihr das auch. Zuhause hat sie (und das ist bei berufstätigen Männern ja nicht immer ganz so) permanent ein schlechtes Gewissen, dass sie nicht hundertprozentig für Töchterchen Paige da sein kann, aber you can’t have it all, nicht wahr, und der Gatte (Anders Holm) macht ohnedies alles fabelhaft. (Nur dass er sich halt einmal im Bett umdreht, „Entschuldige, heute bin ich zu müde“ – aber der Haushalt und die Kindererziehung sind ja stressig!)

De Niro Intern xx

In ihrem Betrieb in Brooklyn, der sich in einer riesigen alten Fabrik ausbreitet, ist man so politisch korrekt, dass man sogar ein Praktiken-Angebot für Oldies, pardon, Senioren ausschreibt. Und da kommt dann Ben Whittaker in Gestalt von Robert De Niro ins Spiel. Ihn hat man eigentlich zuerst kennen gelernt, den gepflegten, ein bisschen konventionellen Siebziger, der sich nur in Anzug, tadellos gebügeltem Hemd und Qualitätskrawatte wohl fühlt, der verwitwet ist, einst gern gearbeitet hat (wie es der Zufall will, 40 Jahre lang in dem Gebäude, wo nun der Online-Modeshop drinnen wohnt) und wieder unter Menschen möchte.

Nun ist dieser Ben Whittaker – wie Jules andererseits – das, was es im Leben wohl kaum gibt, nämlich der Idealfall eines Oldies, der nicht alles besser weiß, der niemanden damit langweilt, wie es früher war, der nicht beleidigt ist, wenn man ihn nicht gebührend behandelt. Er kommt, wird Jules zugeteilt, die zuerst nicht weiß, was sie mit ihm anfangen soll, er beobachtet (De Niro muss Intelligenz und menschliches Wohlwollen nicht spielen, er strahlt sie aus, wenn er will – wie in diesem Fall), und über kurz oder lang ist er für Jules unentbehrlich.

Nun, das ist ein Märchen, das Nancy Meyers hier anbietet, die schon einige zuckersüße Filme (und auch den witzigen „Was Frauen wollen“) gedreht hat, aber selten ist ihr etwas (bei eigenem Drehbuch) so gelungen, wie diese Geschichte. Das mag an der außerordentlichen Besetzung liegen, an der Chemie zwischen De Niro und Hathaway, an der sanften Ironisierung unserer Welt: „I googled ‚Staying together after an affair’“ – gibt es etwas, das Google nicht mehr für uns lösen kann?

Nein, nicht Google löst das Problem, als der Gatte von Jules kurzfristig fremdgeht (nichts darf hier echt sein oder wirklich weh tun), sondern Ben mit seiner Anteilnahme, und dafür bekommt er auch in Rene Russo als der firmeneigenen Physiotherapeutin die ideale Gefährtin, und am Ende ist alles so gut, wie es nur sein kann.

Denn Jules, die bereit war, ihre Firma aufzugeben, um ihren Mann zu behalten, bekommt von ihm, der seinem Seitensprung reuig abschwört, die Erlaubnis, ihre Karriere weiter zu verfolgen. Wir leben im 21. Jahrhundert, Nancy Meyers hat auch noch eine sanfte Feminismus-Aussage anzubringen.

Was sie mit diesem über die Maßen hinreißend gespielten Film allerdings erweckt, ist die Sehnsucht, dass die Menschen überall so wunderbar und liebenswert sein mögen wie die beiden Hauptdarsteller sie auf die Leinwand bringen…

„Was ist nur aus den Männern von einst geworden?“ sagt Anne Hathaway nach ein paar Drinks zu viel, „Da gab es doch einmal Jack Nicholson und Harrison Ford?“ und sie blickt zweifelnd auf ihre laschen jungen Mitarbeiter im Schlabber-Look und ohne besondere Persönlichkeit. Nun ja, neben ihr steht immerhin Robert De Niro. Noch ist nicht alles verloren.

Renate Wagner

 

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