Wien/Staatsballett in der Staatsoper: Minkus, Don Quixote – Der Mann von la Mancha kehrt zurück
22.09.2015, 23.Vorstellung der Produktion
Maria Yakovleva, Dennis Cherevycko. Foto: Wiener Staatsoper/ Pöhn
Vor fast 50 Jahren vom unvergessenen Rudolf Nurejew für das Wiener Ballett geschaffen, erlebte diese Fassung des „Don Quixote“ ihr großes Comeback in der Einstudierung von Manuel Legris im März 2011. Über drei Spielzeiten hatten wir das Vergnügen, die Entwicklung der verschiedenen Rolleninterpreten zu verfolgen.
Nach einer zweijährigen Pause (abgesehen von dem „Gastspiel“ des ersten Aktes bei der letzten Nurejew-Gala im Juni 2015) kehrt der Ritter von der traurigen Gestalt nun zu seinem Wiener Publikum zurück.
Unter der kundigen Leitung von Paul Connelly entführt uns das Orchester der Wiener Staatsoper mit Rainer Honeck als Konzertmeister nach Spanien. Die schwungvolle Musik des gebürtigen Wieners Ludwig Minkus lässt das Publikum für knappe drei Stunden den Alltag vergessen.
Kamil Pavelka als edler Ritter von la Mancha und sein Diener Sancho Pansa, ein wendiger, humorvoller Christoph Wenzel, nehmen die Freunde des Wiener Staatsballetts mit nach Barcelona.
Händler, Gassenbuben, Mädchen und Gäste der Schankwirtschaft bevölkern den Platz der Stadt im stimmungsvollen Bühnenbild von Nicholas Georgiadis. Die Tochter des Wirtes, Kitri, brilliant getanzt von Maria Yakovleva, verweigert die Ehe mit dem reichen Gamache, einem köstlichen Dumitru Taran, und schenkt ihr Herz dem draufgängerischen Barbier Basil – mit grosser Sprungkraft und Spielfreude Denys Cherevychko. Die beiden bilden seit vielen Vorstellungen in Wien, wie auch beim Sommergastspiel in Paris 2013, die Traumbesetzung. Mit Raffinesse und Akkuratesse tanzend, leistet es sich dieses erste Paar, seine Rollen auch schauspielerisch mit Leben zu erfüllen.
Roman Lazik gibt den Espada. Mit viel Eleganz führt der danseur noble die Toreros an. Ihm zur Seite gestellt ist Ketevan Papava als Straßentänzerin, eine „Carmen“ par excellence. Bei ihrem Solo ist es schwer vorstellbar, dass ihr nicht alle Männer zu Füßen liegen. Ioanna Avraam und Alice Firenze tanzen die Freundinnen Kitris, ein paar Vorstellungen noch, und die beiden werden ein sehr exaktes Duo sein. Schwungvoll geht es in das rhythmische Finale des ersten Aktes, das seine Wirkung beim Publikum nie verfehlt.
Vorhang auf zum zweiten Akt – wir befinden uns vor den Toren der Stadt. Ein herrlich zarter pas de deux von Kitri und Basil zeigt eine ganz andere Facette der beiden Ersten Solisten. Fast elegisch, ruhig ist hier die Choreografie. Wunderbare Hebungen und geführte Touren demonstrieren, wie sehr Denys Cherevychko auch als Partner gereift ist.
Mihail Sosnovschi als Zigeuner zeigt einmal mehr sein akrobatisches Können. Immer wieder begeistert er mit seinem Solo, das Anleihen aus dem russischen Volkstanz aufweist.
Mit viel Humor und einem Spiel im Spiel (entzückend die Kinder der Ballettschule der Wiener Staatsoper) gelingt dem Liebespaar die „Flucht“ vor dem Vater und dem ungeliebten Bräutigam. Die Choreografie punktet mit folkloristischen Elementen in Kombination mit großem klassischen Tanz.
Nach der wohl bekanntesten Szene des Miguel de Cervantes, Don Quixote’s Kampf mit den Windmühlen, verliert sich der Titelheld in einem wunderschönen Traum: Er begegnet seiner angebeteten Dulcinea, einer wunderbare Maria Yakovleva. Hier zeigt sich die Vielseitigkeit dieser Tänzerin, erst munter und fast frech als Kitri, nun herrlich zart und elegisch als Traumwesen.
Olga Esina als Königin der Dryaden ist der Inbegriff einer Primaballerina, einer Nymphe. Elfengleich schwebt sie über die Bühne und läßt alle vergessen, welch unermeßliche Arbeit in dieser Leichtigkeit steckt. Ihre grands jetés, die in der Luft zu stehen scheinen, jedes noch so zarte port de bras, der Ausdruck ihres Tanzes sind unvergleichlich. Der Besucher darf gespannt sein, wie diese ätherische Königin in einer der nächsten Vorstellungen als feurige, lebenslustige Kitri die Bühne beherrschen wird.
Kiyoka Hashimoto als kecker Amor vervollständigt das Damentrio um den träumenden Mann. Exakt und mit viel Verve becirct sie den Ritter und schiesst ihre Liebespfeile ab.
Nach der zarten Atmosphäre des zweiten Aktes kehren wir zurück in die „Wirklichkeit“. Kitri und Basil versuchen immer noch, den aufgebrachten Vater auszutricksen. Gemeinsam mit Espada und seiner Auserwählten feiern sie ausgelassen in einer Schenke. Mit Lust am Schauspiel und einer großen Portion Komik tanzen Maria Yakovleva und Denys Cherevychko dieses Schelmenstück des Abends. Der Vater, Gabor Oberegger, hat ein Einsehen und gibt seinen Segen für die Verbindung. Das große Hochzeitsfest wird vorbereitet.
Prisca Zeisel als erste Brautjungfer begeistert mit ihrem Solo die Gäste Kitris und Basils. Zum krönenden Abschluss der große pas de deux des Brautpaares: Noch einmal zeigen Maria Yakovleva und Denys Cherevychko eindrucksvoll, wie sehr sie an und mit den Rollen gewachsen sind, mit wie viel Bravour sie alle Schwierigkeiten meistern und dennoch immer den Eindruck von Freude und Leichtigkeit vermitteln. Genau darin besteht die Meisterschaft.
Im Corps de Ballet macht sich manchmal noch bemerkbar, dass dieses Werk für zwei Jahre aus dem Spielplan verschwunden war. Aber auch die neuen Mitglieder werden sich sicherlich bald von der Begeisterung des Publikums und ihrer erfahrenen Kollegen mitreißen lassen und sich in die gut einstudierte Choreografie einfinden.
Die nächsten Vorstellungen werden den Wiener Ballettfreunden noch spannende Besetzungen in den Hauptpartien präsentieren.
Folgevorstellungen am 2., 6. und 20. Oktober und am 8. November 2015 sowie eine zweite Serie im Mai/Juni 2016.
Ulrike Klein
MerkerOnline