Theater an der Wien: HANS HEILING – 25.9. 2015 (Premiere 13.9.2015)
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Angela Denoke, Michael Nagy. Copyright: Herwig Prammer
Zwischen 1830 und 1850 galt Heinrich August Marschner (1795-1861) als einer der führenden deutschen Opernkomponisten seiner Zeit. Immerhin komponierte er rund 19 Opern. Aufgeführt werden davon in heutiger Zeit aber lediglich „Der Vampyr“ und „Hans Heiling“. Dem Urteil des deutschen Musikwissenschaftlers Hans Joachim Moser (1889-1967), Vater der Opernsängerin Edda Moser, zufolge, nahm Marschner eine wichtige Stellung zwischen Weber und Wagner ein und besitzt in seinen besten Augenblicken echte Volkstümlichkeit, gleitet aber oft in den allzu billigen italienischen Stil seiner Zeitgenossen Bellini,Mercadanteund Pacini ab (https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Marschner).
Marschners berühmteste Oper sollte aber „Hans Heiling“ werden. Das Libretto dazu verfasste der Sänger und Schauspieler Philipp Eduard Devrient (1801-77), der auch die Titelrolle bei der Uraufführung an der Berliner Königlichen Hofoper am 24. Mai 1833 sang. Ein Prolog eröffnet die Handlung der dreiaktigen Oper voller überirdischer Elemente und Effekte. Als mögliche literarische Vorlagen dienten Devrient der Ritterroman „Hans Heiling, vierter und letzter Regent der Erde-, Luft-, Feuer-, und Wassergeister“ (1798-99) von Christian Heinrich Spieß (1755-99) sowie Theodor Körners (1791-1813) böhmische Volkssage von 1811 „Hans Heiling’s Felsen“.
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Peter Sonn, Michael Nagy. Copyright: Herwig Prammer
Die eigentliche Ouvertüre folgt dann auf den Prolog. Sowohl im Prolog als auch im Abschlusstableau erweist sich Marschner als ein Meister der Fuge. Lange Zeit vor Verdis Falstaff komponierte Marschner damit eine mehrstimmige Fuge für gemischten Chor. Und Hausherr und Regisseur Roland Geyer griff während der Ouvertüre zu einem Kunstgriff, den man zuletzt bei Achim Freyers Inszenierung von Salvatore Sciarrinos Oper „Luci mietraditrici“ bei den Wiener Festwochen im Museumsquartier bewundern konnte. In kurzen Spots, die sofort wieder erlöschen, deuteterein inzestuöses Verhältnis zwischen dem heranwachsenden Hans Heiling und seiner Mutter an. Es ist nach Offenbachs „Les contesd’Hoffmann“ (2012) übrigens seine zweite Regiearbeit am Theater an der Wien. Das dramaturgisch gesehen etwas unspektakuläre Ende der Oper erinnert entfernt an das Finals des „Freischütz“, hier wie dort scheint die Bedrohung durch die Geisterwelt abgewehrt.
Der Titelheld erscheint durch seine starke Mutterbeziehung wie traumatisiert, ungezügelte Eifersuchts- und Wutanfälle sowie maßlose Liebesbezeugungen sind die Folge. Das Vorspiel beginnt bei Geyer am Grabe Heilings, an dem seine Mutter den Blumenschmuck ordnet. Die folgenden drei Akte erscheinen dann als Rückblick der Königin bis zum letalen Ende ihres Sohnes, der Selbstmord begeht.
Das Bühnenbild von Herbert Murauer zeigte im Vorspiel zwei eingerüstete Feuermauern, auf der sich der Geisterchor in schwarz-roten Kostümen mit sparsamen Schritten bewegte. Das Dorfbild positionierte einen Maibaum und eine Statue des griechischen Fruchtbarkeitsgottes Priapus als augenfälligen Blickfang. Die Dorfbewohner tollen ausgelassen herum und ergötzen sich am Bier. Die Handlung spielt bei Geyer in der Gegenwart, Heiling betätigt sich künstlerisch als Fotograf.
Sibylle Gädeke schuf die unansehnlichen Alltagskostüme des Chores, nur die Königin wurde von ihr mondän und lasziv eingekleidet. Ramses Sigl erdachte eine spannende Choreographie für den Chor. Reinhard Traub sorgte noch für eine spannende Beleuchtung.
ConstantinTrinks sorgte am Pult des ORF Radio Symphonieorchesters für einen berauschend romantisch-schwermütigen Klang.
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Katerina Tretyakova, Stephanie Houtzeel. Copyright: Herwig Prammer
Michael Nagyzeigte als Hans Heiling einen ausdrucksstarken Bariton und war darstellerisch zu besonders eindrucksvollen Stimmungswandeln fähig. Angela Denokeals seine Mutter und Königin der Geisterwelt trug mit ihrer erotischen Bühnenausstrahlung viel zur Glaubwürdigkeit des Regiekonzeptes bei. Ein fallweises Vibrato ihres Soprans vermochte dem sehr guten Gesamteindruck allerdings keinen Abbruch zu bereiten. Katerina Tretyakova als Anna ließ sich auf Grund einer stimmlichen Indisposition, von der man allerdings kaum etwas hörte, von Roland Geyer vor Beginn der Aufführung entschuldigen. Peter Sonn gefiel mit stabilem, nur fallweise in der Höhe angestrengt klingenden Tenor, in der Rolle von Heilings Gegenspieler Konrad, dem Anna zuletzt doch noch ihr Jawort gab. Stephanie Houtzeel von der Wiener Staatsoper gab eine überzeugend um das Glück ihrer Tochter Anna kämpfende Mutter Gertrude mit warmem Mezzo. In kurzen Partien wirkten noch Christoph Seidl als Stephan und Patrick Maria Kühn als Niklas mit.
Lob gebührt wiederum dem von Erwin Ortner bestens einstudierten Arnold Schoenberg Chor.
Das Publikum dieser Dernière spendete allen Mitwirkenden begeisterten Applaus. Wer übrigens einen Vergleich sucht: „Hans Heiling“ wird noch bis Dezember 2015 im Theater in Regensburg gezeigt.
Harald Lacina