MÜNCHEN / Bay. Staatsoper – IL BARBIERE DI SIVIGLIA – 13.10.15 – Mächtig viel Spaß!
Die historische aber immer noch sehr praktikable Produktion von Ferruccio Soleri hat nun schon einige Generationen an Zuschauern erfreut und vermutlich auch die dabei jeweils tätigen Sänger, die sich hier komödiantisch ausleben dürfen. Zu beobachten war, dass Jung (!) und Alt sich gleichermaßen daran ergötzten. Die ausgesprochen homogene Sängerschar spielte aber auch mit so viel Spaß an der Freud‘.
Zunächst spielte sich Innsbrucks Chefdirigent Francesco Angelico in die Herzen der Zuhörerschaft mit einer locker flockigen Ouvertüre. Auch im weiteren Verlauf blieb alles hübsch leggero und das Staatsorchester folgte dem jungen sizilianischen Maestro mit Lust und Laune. Und ganz wichtig: Angelico ist ein Sängerdirigent. Die Künstler auf der Bühne konnten sich stets auf ihn verlassen.
Besonders wichtig war das bei den halsbrecherischen Koloraturgespinsten von Rosina/Tara Erraught und Graf Almaviva/Javier Camarena. Diese beiden sind ein richtig niedliches Paar. Der kleine Mexikaner kann glücklich sein über die tatsächlich noch um wenige Zentimeter kleinere Partnerin. Erraughts lyrischer Mezzo hat sich wunderbar entwickelt. Die kleineren „Macken“, die vor einiger Zeit Sorge bereiteten sind behoben. Die Amerika-Tour war höchst erfolgreich, und nun klingt die Stimme schöner denn je. Die Tiefe entwickelt sich weiter und dann geht’s vollkommen bruchlos in die strahlende Höhe. Die Koloraturen sprudeln perlend nur so aus ihr heraus. Dass sie in den großen Ensembles manchmal ein bisschen untergeht – das war bei Cecilia Bartoli nie anders in diesem Haus. – Camarena gibt seinem Affen ordentlich Zucker und zeigt geradezu protzend, was er drauf hat, inklusive der meist gestrichenen Final-Arie (mit Cenerentola-Passagen). Als Darsteller brillierten beide um die Wette. (Schade, dass der Tenor sich ein Spitzbäuchlein hat wachsen lassen, das sieht zwar im Profil sehr lustig aus, steht einem jugendlichen Liebhaber aber vielleicht doch nicht so gut.)
Levente Molnár hatte ich bisher noch nie dermaßen aufgedreht erlebt wie bei diesem Figaro. Auch sein Bariton hat sich prachtvoll entwickelt. Da geht’s munter rauf und runter ohne irgendwelche Probleme, und mit seiner Bombenhöhe liebt auch er es zu „protzen“. – Kyle Ketelsen gab einen sehr lustigen, stimmkräftigen Don Basilio. Renato Girolami ist ganz typischer Buffo als Dr. Bartolo. Iris van Wijnen (Opernstudio) stürzte sich mit Verve in ihre Rolle und Berta-Arie. Jung-Bariton Andrea Borghini zeigte sich wie immer spielfreudig als Fiorillo. Wieso der inzwischen doch schon gut etablierte Dean Power noch an den zweisätzigen Offizier vergeudet wird…?
Kräftiger Schluss-Applaus, auch für den in München neu entdeckten Maestro aus Innsbruck.
D. Zweipfennig
Francesco Angelico – Chefdirigent des TLT & TSOI
Francesco Angelico stammt aus Sizilien. Nachdem er 2001 sein Studium im Fach Violoncello am Konservatorium in Modena absolviert hatte, begann er 2003 ein Dirigierstudium bei Giorgio Bernasconi an der Musikhochschule Lugano, das er 2006 abschloss.
Er ist Preisträger des Malko Wettbewerbs und des Deutschen Dirigentenpreises und nahm an Meisterkursen u.a. bei Carlo Maria Giulini und Herbert Blomstedt teil. Er arbeitet regelmäßig mit renommierten Orchestern wie dem Deutschen Symphonie Orchester Berlin, dem Tonhalle Orchester Zürich und dem National Symphony Orchestra Taiwan zusammen. Regelmäßiger Gast ist er auch an der Mailänder Accademia Teatro alla Scala. Seit Beginn der Spielzeit 2013/14 ist er Chefdirigent des Tiroler Symphonie Orchesters Innsbruck. Dirigat an der Bayerischen Staatsoper 2015/16: Il barbiere di Siviglia.
Foto Francesco Angelico – Malko-Wettbew.