Fotos: Wagner
WIEN / Belvedere / Unteres Belvedere:
KLIMT / SCHIELE / KOKOSCHKA UND DIE FRAUEN
Vom 22. Oktober 2015 bis zum 28. Februar 2016
Wie Männer auf Frauen blickten
Sie sind die Ikonen des „Wien um 1900“ – Gustav Klimt und Egon Schiele, beide verstorben im Jahr 1918. Oskar Kokoschka, er die „Ikone“ des Expressionismus, ragte in unsere Epoche herauf, hat aber noch als Zeitgenosse der beiden nach der Jahrhundertwende an einer weiteren Revolutionierung der Kunstwelt mitgewirkt, wie Klimt und Schiele vor ihm. Es ist nicht nur aus Gründen der Gleichzeitigkeit berechtigt, diese Künstler „zusammen zu fassen“: Man kann, wenn man ihnen ein- und dasselbe Thema stellt, zu ganz verschiedenen Ergebnissen kommen. Das geschieht derzeit im Belvedere, wenn alle drei sich mit dem Mythos „Frau“ auseinander setzen.
Von Renate Wagner
Die Frau in der vorigen Jahrhundertwende Sieht man Klimts Gemälde, so waren die Damen schön und erotisch. Sieht man Schieles Studien, so waren sie herausfordernd und noch erotischer. Sieht man die Werke von Kokoschka, so scheint ihnen etwas Unbeholfenes innezuwohnen. Sie alle malten und zeichneten die Frauen ihrer Welt und ihrer Zeit. Frauen, die „im Korsett“ steckten (ob sie es noch trugen oder nicht), Frauen, denen Menschenrechte wie Selbstbestimmung und Ausbildung ebenso verweigert wurden wie etwa das Wahlrecht. Sie waren die männliche Projektionsfläche zwischen Madonna und Hure, Mutter oder verworfener Verführerin. Man sollte nicht auf die Idee kommen, dass ihr Leben so schön war wie ein Klimt-Gemälde.
Kontextualisierung Drei große Künstler warfen ihre Blicke auf die Frau – und benützten sie damit. Heute, wo die Emanzipation (damals noch verlacht) einigermaßen gegriffen hat, kann man sich auch in einer Ausstellung nicht damit begnügen. „Kontextualisierung“ ist das Zauberwort, das Kurator Alfred Weidinger, der zusammen mit Jane Kallir (aus der Familie der großen Wiener Kunstsammler und Kunstkenner stammend) die Ausstellung gestaltet hat, dafür findet. Wir sehen die Frauen nicht mehr nur als Objekte, die man mit Ornamenten umfließt, entkleidet oder in mütterlichen Posen darstellt. Heute fragt man auch, wer sie waren und wie sie gelebt haben.
Direkt die Fragen stellen Das wird nicht nur im Katalog thematisiert oder in einzelnen längeren Erläuterungen zu einzelnen Bildern angeboten, sondern auch in einer für das Haus (und auch anderswo) neuen Kommunikationsschiene (bei der Pressekonferenz noch nicht in Kraft, aber man geht davon aus, dass es funktionieren wird): Via Bildschirm und Skype können die Ausstellungsbesucher in einem eigenen Raum an Kuratoren und andere Mitglieder des Hauses ihre Fragen stellen und sofort Antwort bekommen.
Frauen – das ewige Problem Jeder der drei Künstler tat sich privat mit Frauen schwer. Klimt hatte zwar von seinen diversen Modellen, wie man weiß, nicht weniger als 15 Kinder, aber wirklich innerlich engagiert hat er sich, wenn überhaupt, nur bei der „emanzipierten“ Emilie Flöge, die er allerdings nie heiratete. Egon Schiele hatte viele Verhältnisse, bevor er mit seiner „Wally“ (der das Leopold Museum heuer eine wunderschöne Ausstellung gewidmet hat) länger zusammen blieb – allerdings nur, um das hilflose „süße Mädel“ dann für die brav-bürgerliche Edith zu verlassen, die er heiratete. Und Oskar Kokoschka hatte mit Gustav Mahlers Witwe Alma von 1912 bis 1915 eine Beziehung, in der „die Fetzen flogen“, die für ihn als Künstler unendlich produktiv war, ihn als Mann aber so zerstörte, dass er erst gut zwei Jahrzehnte später zu einer ausgeglichenen Beziehung zu einer Frau fähig wurde. Auch das gehört zur Kontextualisierung, sich zu fragen, wie die Künstler, deren Frauen-Bilder man betrachtet, eigentlich innerlich zu Frauen standen.
Drei Künstler im Vergleich Jane Kallir hat der Ausstellung die Struktur gegeben, zu den einzelnen Themenschwerpunkte stets alle drei Künstler zu befragen – also nicht eine getrennte Klimt / Schiele / Kokoschka-Präsentation zu machen, sondern gerade aus dem Vergleich oder der Diskrepanz Spannung zu gewinnen. Gleich im ersten Saal hängen die Porträts als eine der klassischen Ausdrucksformen: Hier findet man nicht nur Klimts hoheitsvolle Fritza Riedler aus dem eigenen Bestand des Hauses (wo er ihr ein Ornament so um die Ohren malte, dass die Assoziation zu einer Velasquez-Infantin unvermeidlich war): Man hat auch ein Porträt von Mäda Primavesi von Toyota geborgt, und später findet man eine „Tänzerin“, die man nicht kannte und die Ronald Lauder aus New York geliehen hat. Neben Klimt steht aber auch Edith Schiele, in jenem brav gestreiften Kleid, in dem Schiele sie so oft gemalt hat, vor dem Betrachter, und auch von Kokoschka gibt es im ersten Raum klassische Frauenporträts, nur dass er schon auf Grund seiner künstlerischen Persönlichkeit zu keiner konventionellen Strichführung fähig war… Auch kann man sagen, dass Alma Mahler, hätte etwa Klimt (mit dem sie früher auch ein Verhältnis hatte) sie gemalt, „schöner“ auf die Nachwelt gekommen wäre als durch Kokoschka…
Mütter, Paare, Akte – und mehr Die anderen Themenschwerpunkte, nach denen die Ausstellung gegliedert ist, gelten Paaren, Gruppen, Müttern und Kindern, und wenn Frauen in Beziehung zu anderen stehen, haben dann den erotischen Kontext weitgehend verloren, hier gewinnen die Werke aller drei Künstler immer wieder etwas eindeutig Dämonisches. Um dann unter dem Motto „Akte“ sehr weit zu gehen. Die Frauen und auch die Gesellschaft seien heute zwar emanzipiert, „aber offenbar noch nicht genug“, meint Belvedere-Direktorin Agnes Husslein-Arco: Denn dass man immer zwar von Eros und Sex sprach, aber jene Damen Klimts und Schieles, die sich eindeutig der Masturbation hingaben, in der Bezeichnung stets schamhaft als „Liegende“ bezeichnet hat – das war bis zu dieser Ausstellung die Regel. Nun stellt man sich im letzten Raum explizit auch diesem Thema. Bis zur letzten Konsequenz – nur dass die diesbezüglichen Bleistiftzeichnungen von Klimt so zart sind, dass man ganz nahe heran gehen muss, um die Details zu erkennen… Was für den Kurator dann die Kontextualisierung zum Voyeurismus ergäbe – einst und heute.
Unteres Belvedere:
Klimt / Schiele / Kokoschka und die Frauen.
Bis 28. Februar 2016, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr