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KÖLN/ Staatenhaus: LA BOHÈME . Premiere

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KÖLN: LA BOHÈME                 Premiere am 22. November


Aloife Miskelly (Musetta) und Chor. Foto: Paul Leclaire

Eine Woche nach „Benvenuto Cellini“ gab es im Staatenhaus, dem gegenwärtigen Ausweichquartier der Kölner Oper, neuerlich eine Premiere: „La Bohème“. Im zweiten „großen“ Saal (mit 800 Plätzen hat er 50 weniger als der zuletzt bespielte) sitzt das GÜRZENICH-ORCHESTER vor einer erhöhten Spielfläche. Bei „Cellini“ war die Spielfläche ebenerdig, und das Orchester agierte auf einem Podium im Hintergrund, was aber sicher kein Dauerzustand ist.

Für „Bohème“ wurde mit MICHAEL HAMPE ein Regisseur engagiert, der weltweit Erfolge aufzuweisen hat, als Dozent an vielen Universitäten lehrt und ein Buch „Opernschule. Für Liebhaber, Macher und Verächter des Musiktheaters“ geschrieben hat. Belangvoll speziell für Köln: von 1975 bis 1995 war Hampe Intendant der Oper und inszenierte an diesem Hause auch mehrfach. Unkonventionell ging er u.a. bei Henzes „We come to the river“ vor, sein Offenbach-„Hoffmann“ (mit Edda Moser und Plácido Domingo) wagte filmschnittartige Bildsequenzen, mit Rossini-Opern bot Hampe aber auch lediglich Nettes, mitunter sogar Nichtiges. Wie würde er sich „Bohème“ nähern, einer Oper, welcher er bislang (wie überhaupt Puccini außer „Tosca“) ausgewichen ist?

Mit dem Ausstatter GERMAN DROGHETTI wäre anzufangen. Dass die Raumhöhe im Staatenhaus nur die Hälfte von der im Opernhaus am Offenbach-Platz beträgt (dessen Sanierung sich nach neuestem Erkenntnisstand bis 2018 hinziehen wird), war ein Grund für bühnenbildnerische Anpassungen. Vom Verbliebenen darf auf Konzeptionelles dennoch guten Gewissens vollgültig geschlossen werden. „Ich bringe keinen Naturalismus auf die Bühne“, so Hampe in einem Interview. Was aber ist das (möglicherweise mehr als beabsichtigt zusammengedrängte) Quartier Latin mit seinen pittoresken Häuserfronten (Projektionen verleihen diesem Bild eine faszinierende Tiefe) anderes oder die Barrière d’enfer mit ihren schneebedeckten Bäumchen?

Ein angekündigter Zeitsprung der Handlung in die zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als ein Chagall, Picasso oder Leger ihre Kunst zu erproben begannen (Video-Einblendungen an jedem Akt-Ende) prägt die Inszenierung nicht sonderlich. So wie in Köln hat man Puccinis Oper schon häufig gesehen. Hampes Regiestil stagniert, bleibt ästhetisch ein déja vu. Auch die Personenführung erschließt keine neuen Aspekte. Im Grunde bleiben nur drei Momente haften. Dass im 3. Akt ein neuer Galan Musette abschleppt, ist ein eher äußerlicher Vorgang. Wenn im gleichen Bild Rodolfo gesenkten Hauptes Mimis „D’onde lieta uscì al tuo grido d’amore“ lauscht, bleibt einem das Herz aber schon etwas stehen, und ihr Sterben kommt ohne Verzweiflungsklischees aus. Insgesamt aber wird die Aufführung von Konvention beherrscht, welcher das Publikum freilich vehement zustimmt. Aber „klare, verständliche Grammatik“ (Hampe) ist bei Regie nicht alles.

Verzauberung kommt freilich aus dem Orchester“graben“, FRANCESCO ANGELICO wirkt seit der letzten Spielzeit am Tiroler Landestheater und bringt in Köln Puccinis Musik zum Blühen. Er weiß um das angemessene agogische Timing, die stimmige Klangdramaturgie (emotional tieflotend, aber nicht vordergründig sentimental) und die sanfte Wirkung des Melodischen. Angelicos Interpretation lässt immer wieder Tränen fließen.

Mit Puccini debütierte JACQUELINE WAGNER im Mai 2013 in Köln („Suor Angelica“). Ihr glasklarer Sopran gibt auch der Mimi starke Emotionen mit, ohne falschen Zungenschlag. Einfach wunderbar dieses Rollendebüt. Der Koreaner JEONGKI CHO gehörte zeitweilig dem Opernstudio an, hat sich in den vergangenen Jahren dann aber über Bufforollen zu zentralen Partien vorgearbeitet. Sein höhensicherer, farbenreicher Tenor harmoniert bestens mit dem Rodolfo. Auch die Irländerin AOIFE MISKELLY begann im Opernstudio und gehört nun zum Ensemble. Als Musetta ist sie mit allen Wassern der Koketterie gewaschen. Einer der vielseitigsten Sänger am Haus ist MILJENKO TURK, jetzt ein baritonal vielleicht nicht gerade ausladender, aber rollenstimmiger Marcello.

Zu ergänzen sind KIHWAN SIM als bassprofunder Colline, WOLFGANG STEFAN SCHWAIGER als schwungvoller Schaunard (einen erkrankten Kollegen kurzfristig, aber bestens erprobt, ersetzend) sowie der gebürtige Kölner REINHARD DORN (Benoit), Mitglied des Ensembles von 1987 bis 18994.

Auch das zweite Opening der Kölner Oper im Staatenhaus geriet durchwachsen. Hoffen also auf die kommenden Premieren im Neuen Jahr: Brittens „Rape of Lucrezia“ und „Jeanne d’Arc“ von Walter Braunfels.

Christoph Zimmermann

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