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BIETIGHEIM/ Kronenzentrum: SIEDDEUTSCHE KAMMERSINFONIE BIETIGHEIM / URSULA SCHOCH

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ANMUT UND GRAZIE

Konzert der „suedeutschen kammersinfonie bietigheim“ im Kronenzentrum am 6. Dezember 2015/STUTTGART

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Ursula Schoch. Foto: Alexander Walther

Brahms und Mendelssohn Bartholdy – das geht bestens zusammen. Diese Erfahrung konnte man zumindest beim Konzert mit dem Dirigenten Peter Wallinger und seiner „sueddeutschen kammersinfonie bietigheim“ im recht gut besuchten Kronenzentrum machen. Da sprudelten die Einfälle nur so hervor. Herzerfrischend meldete sich das g-Moll-Scherzo von Felix Mendelssohn Bartholdys Musik zu Shakespeares „Sommernachtstraum“, wo sich ein wirklich eigenartiger Stimmungszauber im sphärenhaften Orchestersound schnell ausbreitete. Auch die deutlichen Akzente der Esel waren neben den betörenden Elfenklängen facettenreich herauszuhören. Immer zwingender huschte der Rhythmus des Hauptthemas hier dahin. Am besten gelang das Notturno mit dem traumhaften Hornsolo. Trotz geringfügiger Intonationsschwankungen konnten sich die Legato-Bögen dabei wunderbar entfalten. Leider fehlte bei dieser gelungenen Wiedergabe der „Hochzeitsmarsch“. Stimmungszauber und Bilhaftigkeit der Klänge traten dennoch reizvoll hervor, der Traumpoesie wurde Genüge getan. Der stampfende „Tanz von Rüpeln“ besaß starke dynamische Wucht. Herrlich melancholisch kam dann als Zugabe „Valse triste“op. 44 von Jean Sibelius daher, wo die Neigung zum Epischen und männlich-ernstes Pathos reizvoll hervorblitzten. Die Nähe zur formklaren Klassik stach deutlich hervor. Man begriff plötzlich, warum Sibelius der „Tschaikowsky des Nordens“ genannt wurde.

Im strahlenden Mittelpunkt des Violinkonzerts D-Dur op. 77 von Johannes Brahms stand die in Ludwigsburg geborene und als erste Bundespreisträgerin von „Jugend musiziert“ berühmt gewordene Geigerin Ursula Schoch, die nicht nur bei den Ludwigsburger Schlossfestspielen aufgetreten ist, sondern auch Mitglied der Berliner Philharmoniker war. Zurzeit ist sie Konzertmeisterin des berühmten Königlichen Concertgebouw-Orchesters Amsterdam. Die Berührungspunkte zu Brahms‘ zweiter Sinfonie wurden von Dirigent und Solistin ausgezeichnet herausgearbeitet. Auch Anklänge an Beethovens Violinkonzert wurden bei dieser Wiedergabe nicht verleugnet. Dass Brahms selbst kein Geiger war und sich Rat von Joseph Joachim holte, konnte man aufgrund der sprühend-feurigen Wiedergabe von Ursula Schoch kaum glauben. Das Hauptthema des Allegro non troppo stürmte jedenfalls atemlos dahin und nahm die Zuhörer ungemein gefangen. Der D-Dur-Dreiklang strahlte so wundervoll hell und leuchtkräftig auf. Große Ausdrucksfülle kennzeichnete den Musizierstil Ursula Schochs, die auch den kämpferischen Elementen der grandiosen Kadenz breiten Raum gab. Ein gezacktes Seitenthema fuhr dann heftig dazwischen, was der Interpretation elektrisierende Spannungskraft verlieh. Auch Assoziationen zur dritten Sinfonie von Brahms waren versteckt herauszuhören. Überhaupt nahm Peter Wallinger als Dirigent den sinfonischen Charakter dieses Werkes sehr ernst. In großer klanglicher Schönheit kehrte das Hauptthema zurück. Die schlichte Melodie des Adagio-Satzes besaß hier dank Ursula Schoch ungeheure Tiefe und Reife. In endlosen Arabesken und Kaskaden strömte es dahin. Mit ungarisch-deftigen Akzenten tauchte das Finale auf, dessen virtuose Kraft nicht nachließ. Besonders gut gelang Ursula Schoch die vorwärtsdrängende Triolenvariante im Finale. Der Hang zur Klassizität und weitschwingend-edlen Melodik war deutlich herauszuhören. Nietzsche nannte Brahms einmal einen „Sänger der Sehnsucht“. Dank Ursula Schochs Spiel begriff man den Sinn dieser Aussage. Als Zugabe interpretierte sie noch einen Ausschnitt aus Johann Sebastian Bachs Sonate für Violine solo Nr. 1, wobei sie das reiche Figurenwerk und die rhythmisch einprägsamen Themen ausgewogen betonte. Zurecht gab es hierfür begeisterten Schlussapplaus des Publikums für dieses Konzert unter dem vielsagenden Motto „Zauber der Romantik“. 

Alexander Walther

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