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BERLIN/ Komische Oper: „LA VIE EN ROSE“. Katharine Mehrling singt Piaf

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Berlin/ Komische Oper: „LA VIE EN ROSE“ – Katharine Mehrling singt Piaf, 13.12.2015

Katharine Mehrling als Edith Piaf© Magdalena Lepka
Katharine Mehrling als Edith Piaf, Foto: Magdalena Lepka 

Ein Leben voller Rosen hatte sie garantiert nicht, die nur 1,47 m große Édith Piaf mit der Riesenstimme, die am 19. Dezember 100 Jahre alt geworden wäre und 1963, als 47Jährige verstarb.

Ihre Vita war eher dornenreich. Schon als Baby oder Kleinkind laut Wikipedia von der Mutter verlassen, wächst sie im Bordell der Großmutter auf. Mit dem Vater, einem Zirkusakrobaten, geht sie als Siebenjährige erstmals auf Tournee, ab ihrem 10. Lebensjahr ist sie mit diesem prügelnden Alkoholiker ständig unterwegs. Er macht aus ihr eine Straßensängerin. Mit 15 geht sie allein nach Paris, wird vom Chef einer Luxus-Bar als Sängerin engagiert. Mit 17 bekommt sie eine Tochter, die als Zweijährige stirbt. Dann Affären, Ehen und rauschhafte Karriere.

Zuletzt ein Autounfall mit einem Lover, in der Folge mehrere OP’s, dazu auch noch Krebs. Sie stirbt in einem abgelegenen Ort. Ihr Leichnam wird von Théo Sarapo ihrem letzten, 20 Jahre jüngeren Ehemann und der Sekretärin heimlich nach Paris transportiert. Der Arzt stellt einen gefälschten Totenschein aus. Demnach ist sie, der „Spatz von Paris“, in ihrer Stadt verstorben.

Insgesamt ein Leben süchtig nach Liebe und ein Singen über Abgründen. „La Vie en rose“ war ihr unerfüllt gebliebener Traum und ist nun der Titel des Abends, den Katharine Mehrling, der Berliner Musical-Star, ihrem Idol widmet. Die Piaf hat es ihr seit ihrer Jugend angetan. Vor Jahren ist sie – nach der Ausbildung in New York – nach Paris gezogen, hat nachts als singende Kellnerin gearbeitet, um tagsüber den Spuren der Piaf zu folgen.

14 Chansons hat sie ausgewählt, bekannte und weniger bekannte. Begleitet wird sie vom Orchester der Komischen Oper unter der Leitung des baskischen Dirigenten und Akkordeonvirtuosen Enrique Ugarte, der die Songs neu und süffig arrangiert hat.
Gleich beim ersten Lied „La Fête continue“ (das Fest geht weiter) trumpft die Mehrling auf, kehrt gekonnt die Rotzgöre heraus, die sich nicht unterkriegen lässt. Danach jedoch „L’Accordéoniste“. Jetzt greift Ugarte zu seinem Instrument. Plötzlich weht das Paris der Piaf durch den Saal. Es geht um ein Bordellmädchen, das sich in einen Akkordeonspieler verliebt, doch der wird als Soldat einberufen.

Liebe und Leid der kleinen Leute, das war das Thema der Piaf und auch ihr eigenes. Doch wie übermütig klingt der Jubel unter dem Pariser Himmel („Sous le ciel de Paris). Bei „Padam, padam“ ist das immer wieder aufgeregt klopfende Herz bei jeder neuen, sie übermannenden  Liebesbeziehung dramatisch zu hören. Die Vita einer Frau, die unersättlich auch mal zwei Männer gleichzeitig liebt: „Le Brun et le Blond“.

Die meisten Chansons haben einen traurigen Grundton, auch das weltbekannte „Mylord“, bei dem das Publikum im ausverkauften Saal begeistert mitsingt. Vergeblich bittet eine Nutte – un ombre de la rue (ein Straßenschatten) – diesen Gentleman an ihren Tisch, und ihr einziger Triumph besteht darin , dass er schließlich weint. Bei „Si tu partais“ (wenn du weggehst) bricht der Kummer voll durch. Der zuvor angeflehte Herrgott („Mon Dieu“), ihr den geliebten Mann wenigstens einen Monat lang zu lassen, hat sie wohl nicht erhört.

Dennoch bleibt die Liebe für die Piaf eine schöne Geschichte („La Belle Histoire d’amour“). Bezeichnenderweise  hat sie dieses Chanson selbst getextet, genau wie zu „La Vie en rose“. Eine, die an die Liebe (oder das Verliebtsein) glaubt, die sich auch nicht scheut „La Foule“, verrückt nach Liebe zu sein. Katharine Mehrling tanzt und klatscht übermütig dazu. Als Schauspielerin, die die Piaf auch auf der Bühne verkörpert hat, kann sie den Inhalt der Lieder perfekt transportieren und erntet immer wieder Applaus.

Und dann der Welthit, auf den alle warten: „Non, je ne regrette rien“ (ich bereue nichts, nicht das Böse, nicht das noch Schlimmere..), das Chanson einer Frau, die von ihrer tödlichen Krebserkrankung wusste und dennoch weitermachte, so lange es irgendwie ging. Rund 40 Interpreten haben sich daran gewagt, nun tut es Katharine Mehrling.

Sie singt es schön und spürbar engagiert, doch die Gänsehaut-Intensität der Piaf kommt nicht auf. Katharine Mehrling fehlt glücklicherweise die Erfahrung einer Todgeweihten. Und selbst wenn dieser Song mit dem Glauben an ein „Du“, an ein erneutes Liebesglück, endet, passt das schmalzig aufschäumende Orchester überhaupt nicht zu diesem Lebensresümee, aber der Beifall steigert sich weiter. Wie sehr Katharine Mehrling das Schicksal der Piaf emotional gepackt hat, und wie sehr dieser heftige Applaus sie berührt, ist ihr anzumerken.

Das in diesem Fall sehr vermisste intime Akkordeon kommt erst beim Schlusslied „La Vie en rose“ wieder zum Einsatz. Gemeinsam mit dem Orchester und einer zusätzlichen Tuba wird nun kräftig gejazzt. Das macht eine andere Art Stimmung und kommt bestens an.

Als Zugabe aber wieder die wahre Piaf mit „Le ciel est bleu“ (der Himmel ist blau). Ein junger Seemann nimmt sie bei der Hand, verbringt eine Nacht mit ihr, geht am Morgen vondannen, und der Himmel ist immer noch blau. Das Dennoch-Leben der Édith Piaf, von dem sie rein gar nichts bereut. Noch einmal Riesenapplaus und standing ovations.

Am 19. Dezember, dem eigentlichen 100. Geburtstag, wiederholt die Mehrling diese Hommage für die von ihr so geliebte Édith Piaf. Zu dieser Vorstellung kommt sogar der 86jährige Charles Dumont nach Berlin, der als junger Mann das „Non, je ne regrette rien“ komponierte.   

Ursula Wiegand

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