München: Bayerische Staatsoper: „Die Fledermaus“, Kreuzbrav, 04.01.2016
Die Fledermaus: B. Skovhus (Gabriel von Eisenstein), M. Petersen (Rosalinde), E. Klosowski (Ida), M. Nagy (Dr. Falke), Chor der Bayerischen Staatsoper. Copyright: Bayerische Staatsoper
Nicht weniger als drei Regisseure werden für die Fledermaus an der Bayerischen Staatsoper genannt: Regie Andreas Weirich, nach einer Inszenierung von Leander Haußmann und Helmut Lehberger. Das ist ein Indiz dafür, dass vom ursprünglichen Inszenierungsgedanken, so es denn einen gab, nichts mehr vorhanden ist. Und so war es auch: Was da am 4. Januar präsentiert wurde, war szenische Hausmannskost. Das Bühnenbild im 1. und 3. Akt biedermeierlich, für den 2. Akt wurden offensichtlich die Mittel für ein Bühnenbild komplett gestrichen, stattdessen gab es Projektionen auf die dunkle Bühnenrückwand. Gerade dieser 2.Akt hatte in der Premiere der Produktion zu Unmutsäußerungen geführt, „Theaterskandal“ und ähnliche Begriffe fielen, was für heutige Besucher der Produktion unverständlich sein dürfte. Eine kreuzbrave Fledermaus wurde da geboten, mit guten Sängern und einem ganz wunderbaren Dirigenten.
Die Rosalinde von Marlies Petersen hatte die kräftige, warme Tiefe, die für diese Partie benötigt wird, in der Höhe wir die Stimme manchmal etwas spitz und intonationsunsicher. Letzteres muss man leider auch von ihrem Galan Alfred, Edgaras Montvidas sagen, der das besungene hohe A leider nur irgendwie erwischte oder vielmehr verpasste und auch sonst ein eher weinerliches, unsicheres Organ präsentierte. Der leichte Akzent des lettischen Sängers in den gesprochenen Passagen dagegen störte nicht, er brachte im Gegenteil ein bisschen exotisches Kolorit in den ansonsten biederen 1. Akt.
Bo Skovhus war ein sehr höhensicherer Eisenstein, er sang beim Einrücken ins Gefängnis sogar den Anfang von Walters Preislied aus den Meistersingern, „Morgendlich leuchtend“, vielleicht eine Anspielung auf die übernächste Premiere an der BSO. Michael Nagy als Dr. Falke harmonierte hervorragend mit ihm in den diversen Duetten und Ensembleszenen. Konkurrenz bekam Marlies Petersen durch die Kammerzofe Adele, Anna Prohaska, die als Halb-Wienerin österreichisches Sprachkolorit mitbrachte. Bei der „armen, kranken Tahahahante“ hätte sie vielleicht nicht ganz so dick auftragen müssen. Die Koloraturen gelangen ihr jedenfalls locker und leicht mit ein paar gewollt schrillen Kieksern in „Spiel ich die Unschuld vom Lande“.
Etwas Abstriche sind beim Prinz Orlofsky angebracht: Michaela Selinger war für die erkrankte Dainela Sindram eingesprungen. Von der Regie zu einem Michael-Jackson-Wiedergänger geschminkt, geriet ihre Auftrittsarie blass und farblos.
Sogar der Frosch durfte singen: „Wien, Wien nur du allein“ gab Cornelius Obonya zum Besten, um gleich danach aus der Rolle zu fallen: „Einmal an diesem Haus singen dürfen, als Schauspieler…“ Sein kabarettistisches Lamento über TTIP, die Privatisierung der Gefängnisse kam etwas lahm daher, da hätte ein wenig mehr Biss beim Texten nicht geschadet. Wie überhaupt die Dialogwitze in die Jahre gekommen waren, nichts, was man nicht schon mal gehört hätte. Á propos Dialoge: die waren für Opernsänger erstaunlich flott und natürlich gesprochen.
Und nun zum Star des Abends: Kirill Petrenko hatte die bei den Münchnern ungeliebte Fledermaus zur Chefsache gemacht, und was da aus dem Graben drang ließ die Sehnsucht nach Carlos Kleiber schnell verstummen. Flotte Tempi, ein glasklarer Klang, prägnant und federnd und die Posaunen im Finale des 2. Aktes knarzten so schaurig wie in der Götterdämmerung. Der größte Applaus galt wieder einmal ihm und dem Bayerischen Staatsorchester.
Susanne Kittel-May