Wiesbaden: Verdi, OTELLO am 17. Jänner 2016
Selten hat man so eine auf das Ziel hinführende Regie und eine Fokussierung auf die Figuren bei Verdi´s OTELLO erleben können wie bei UWE ERIK LAUFENBERGs Wiesbadener Inszenierung. Unaufwendig, aber stets logisch, stringent in der Personenregie, vielleicht bei den Chorszenen etwas pauschal, aber immer eindrücklich und mit Schwung ohne Mätzchen bis zur packend sinnlichen Finalszene.
GISBERT JÄKELs weißer Säulen-Raum und JESSICA KARGEs geschmackvolle Kostüme unterstützen das Ansinnen, in dem Verdischen Operndrama die dramatische Originalwürze Shakespeares bestmöglich zu behalten.
Möglich ist das mit Sängerdarstellern erster Güte. Und als Liebespaar kann man zwei große Persönlichkeiten erleben.
JOSE CURA ist ein Otello, der die Rolle ganz durchdrungen hat. Vokal unerschöpflich auch die schwierigsten Passagen eindrucksvoll meisternd, aber auch inhaltlich differenziert zwischen ohnmächtiger Gefühlsleere und glühender Raserei, lotet er den Löwen Venedigs als getriebenes Opfer aus, und belässt ihn dabei immer im menschlich Nachvollziehbaren. Sein dunkler Heldentenor schwingt sich mühelos zu den Spitzen, prunkt zudem in der Mittellage wohlig und samt.
CRISTINA PASAROIU als zierlich-zerbrechliche Desdemona ist ein Ereignis in ihrer Konzentration in Ton und Figur. Mit edelstem Timbre führt sie innig- lange Phrasen und wird gleichsam durch Bescheidenheit groß. Ihre Schlussszene ist berückend und berührend schön gestaltet wie gesungen.
MATIAS TOSI als rabaukenhafter, schlacksiger Jago gibt einen drahtigen, gewitzten Bösewicht, stimmfarblich eher Bass denn Bariton, dem dadurch das Aufblühen in der Höhe fehlt. Auch der Cassio von AARON CAWLEY führt einen tragfähigen, großen, noch jungenTenor zu Felde. Prächtig klingt der Bass Lodovicos von YOUNG DOO PARK. Als Emilia darstellerisch engagiert, mit wenig Italianitá singt CELESTE HAWORTH ihre dramaturgisch wichtige Rolle. Der Montano von NATHANIEL WEBSTER und der Rodrigo von BENEDIKT NAWRATH ergänzen zusammen mit dem Herold CHRISTIAN BALZERs ein starkes Sängerensemble. Bianca ( ROSA ALT /Mimin ) dient als williges Opfer wüst erpresster Männerphantasien, die in dieser Inszenierung keinen Halt vor Vergewaltigung und Erniedrigung des weiblichen Geschlechtes machen.
Der Chor das Staatstheaters (Leitung: ALBERT HORNE) hat klangstarke Auftritte. LEO MC FALL am Pult agiert mit Lust, muss den Laden aber hin und wieder zusammenhalten. Manche große Ensembles (Dritter Akt) drohen in Einzelaktionen zu zerfallen und auch sonst stimmt es an Fermaten und Überleitungen nicht immer mit Bühne und Orchester. Dennoch punkten beim Staatsorchester schöne Detail-Leistungen wie das Englischhorn mit den Flöten im letzten Bild, aber auch weich abgestimmte, dunkle Blechbläser.
Ein absolut empfehlenswerter Abend, der in dieser Besetzung allerdings leider nicht so schnell mehr zu erleben ist. Wiesbaden lohnt auch eine weitere Anreise.
Christian Konz