Wiener Staatsoper am 22.01.2016: RIGOLETTO
Olga Peretyatko, Juan Diego Florez. Copyright: Wiener Staatsoper/Michael Pöhn
„Ein Riesenerfolg schaut anders aus, die Totalblamage konnte durch ein hochkarätiges Sängerensemble vermieden werden.“ So könnte man die Produktion des Rigoletto nennen, wenn man gut aufgelegt ist. Wenn nicht, müsste die Schlagzeile „Mantuas hässlichste Hinterhöfe“ oder „Caro nome in der Seilbahngondel“ lauten. Wie immer, liegt die Wahrheit ganz woanders. Pierre Audi versuchte im Verein mit dem Ausstatter Christof Hetzer, auf jeglichen Glanz eines herzoglichen Hofes zu verzichten, die Charaktere von ihrer dunkelsten Seite zu beleuchten, man schreckte nicht einmal davor zurück, Monterone auf offener Bühne neben dem Duett Rigoletto – Gilda im Palast (hier freilich einer der tristen Winkel des herzöglichen Prachtgartens) umzubringen. Sehr merkwürdig war auch der Einfall des Regisseurs, die Entführung Gildas aus einer am Boden stehenden baufälligen Gondel zu zeigen. Warum man dazu eine Leiter brauchte, blieb ein Rätsel. Wann wird diese unsäglich eintönige Mode, Unansehnliches auf die Bühne zu stellen, beendet werden?
Unter diesen Umständen muss die musikalische Seite als besonders gelungen ansehen. Evelino Pido dirigierte das sehr aufmerksam und dezent spielende Orchester mit großer Umsicht. Bei der Tempowahl schoss er gelegentlich übers Ziel, besonders Rigolettos große Arie „Cortigiani“ musste in höchster Geschwindigkeit gesungen werden. Aber den großartigen Carlos Alvarez hätte an diesem Abend nichts und niemand behindern können, er hätte auch in ein Telefonbuch gewickelt, auf dem Kopf stehend und radfahrend seinen imposanten Bariton erklingen lassen, dass es eine Freude war. So kernig, kräftig und stimmschön hat man ihn schon lange nicht mehr gehört. Auch darstellerisch konnte er überzeugen, er machte die Wandlung vom Hofnarren zum liebenden Vater und letztlich zum Mitschuldigen am Tod seiner Tochter zum glaubhaften Erlebnis.
Da hatte es Olga Peretyatko als Gilda schwer, mitzuhalten. Ihr kräftiger Sopran ist eigentlich der Rolle bereits entwachsen, die lyrischen Passagen gelangen ihr nicht so gut wie etwa die Gewitterszene, in der ihre Stimme bestens zur Geltung kam.
Etwas unter seinem Wert schlug sich Juan Diego Florez als Herzog. Rein optisch zwar ideal, wirkte er nicht gerade wie der souveräne Frauenverführer, er stellte eher den Typus Gentleman dar, dem man die Flatterhaftigkeit im Umgang mit seinen Gespielinnen nicht abnahm. Es wäre unfair, ihm vorzuwerfen, aus dem gewohnten Umfeld Bellini/Rossini/Donizetti, das er beherrscht wie kein zweiter, ausbrechen zu wollen und in der Klasse des lyrischen Tenor-Repertoires zu reüssieren, aber ob das seiner Stimme guttut, wird sich erst weisen. Die tolle Höhe, die er nach wie vor besitzt, ist in dieser Rolle nicht allein seligmachend, da gehört eben auch die nötige Durchschlagskraft dazu, die er nur unter großer Anstrengung aufzubringen vermochte. Am Ende des Duetts mit Gilda war er beim „Addio“ kaum mehr zu hören.
Nadja Krasteva sang eine verlässlich gute Maddalena und Ain Anger war wie immer der ideale Schurke Sparafucile, mit furchterregendem Äußerem und beeindruckend profundem Bass. Auch die letzte Szene fiel dem Ideenreichtum des Regieteams zum Opfer, die Spelunke – eine Mischung aus Totenkopf und Weltraumkapsel – würde keinen Gast zum Eintreten verlocken.
Das Publikum war von den Sängern begeistert. Ein guter Rat an alle, die hingehen möchten: Augen schließen und zuhören
Johannes Marksteiner