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DRESDEN/Coselspalais: VALDA WILSON SINGT “WESENDONCK-LIEDER”

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Dresden/Coselpalais: VALDA WILSON SINGT „WESENDONCK-LIEDER“ ZUR BUCHPRÄSENTATION 19. 12. 2013

 

Wenn ein (fremder) Mensch anfängt zu singen, geht von ihm ein Zauber aus“ meinte Boris Michael Gruhl zu Beginn seiner – musikalisch umrahmten – Buchpräsentation.

 Valda Wilson, die junge australische Sängerin mit der schönen Stimme und vielen Tugenden einer guten Sängerin, die an der Semper-Oper die Titelrolle in „Simplicius Simplicissimus“ (K. A. Hartmann), Ines („Il Trovatore“), Pamina („Zauberflöte“) u. a. und die Donna Anna („Don Giovanni“) bei der Sommer-Oper 2013 in Bamberg mit großem Erfolg sang, wird demnächst leider die Semperoper verlassen, um nach Oldenburg ins Engagement zu gehen, wo sehr schöne Rollen, wie Ännchen („Freischütz“), Gräfin („Le Nozze di Figaro“), Alice („Falstaff“) u. a. und in der darauf folgenden Spielzeit Agathe („Freischütz“) auf sie warten. Mit einem der „Wesendonck-Lieder“ erhielt sie den Publikumspreis „Stella Maris“.

 Jetzt sang sie zum ersten Mal alle 5 „Wesendonck-Lieder“ als geschlossenen Zyklus. Mit ihrer schönen Stimme und ihrem innigen Ausdruck, einfühlend und mitgestaltend am Klavier begleitet von Anna Böhm, faszinierte sie in beinahe familiärer Atmosphäre alle Anwesenden im wiedererstandenen barocken Festsaal des Cosel-Palais, in dem jetzt u. a. ein Klaviersalon untergebracht ist. Beide Künstlerinnen gestalteten die Lieder auf „gleicher Wellenlänge“, völlig im Einklang mit der Musik.

 In diesem Jahr waren die „Wesendonck-Lieder“ sehr oft zu hören, in ganz unterschiedlicher Interpretation und mit Stimmen sehr unterschiedlichen Timbres. Valda Wilson brachte eine neue „Farbe“ ein, bei der die sanfte, sehr persönliche Seite der Komposition betont wird – eine wirkliche Liebeserklärung – die Liebeserklärung Richard Wagners an Mathilde Wesendonck und eine Liebeserklärung der beiden Künstlerinnen an Wagner und seine Lieder mit ihrem intimen Charakter.

 Anna Böhm machte außerdem das Publikum mit der 3. Klaviersonate in As‑Dur (wwv 85), die Wagner 1853 – mit 40 Jahren – noch vor den „Wesendonck-Liedern schrieb und als Dank an Otto Wesendonck mit der Bitte übergab, sie an seine Gemahlin weiterzureichen. Obwohl die Sonate noch epigonenhaft Beethoven und anderen Komponisten verhaftet ist, enthält sie doch schon typisch Wagnerische Züge – und auch einige kompositorische Schwachstellen und Unzulänglichkeiten. Es war nicht nur interessant, diese Sonate zu hören und die Entwicklung von Wagners Kompositionsstil zu verfolgen, Anna Böhm überspielte mit ihrem perfekten Klavierspiel sehr geschickt so manche kompositorische Schwäche und veredelte geradezu die Sonate mit ihrem sanften, zuweilen auch kraftvollen, Anschlag und großem Einfühlungsvermögen. Sie ließ die ganze Sonate interessant und abwechslungsreich erscheinen und geschickt immer wieder „Isoldes Liebestod“ durchschimmern.

 Kurz vor Ende des Wagner-Jahres, in dem es zahlreiche bzw. zahllose Premieren und Aufführungen von Wagner-Opern gab und Bücher über Bücher – Neuerscheinungen und Neuauflagen -, kam nun noch eines auf den Markt, zu dem kein Geringerer als Christian Thielemann das Vorwort schrieb.

 Boris Michael Gruhl, Musikredakteur beim mdr (Mitteldeutscher Rundfunk), Dresdner Musikkritiker und Kolumnist der Zeitschrift „Musik-in-Dresden“, hat zu den vielen Büchern um und über Wagner, über dessen Leben und Wirken und familiäres und historisches Umfeld, über Inszenierungen von Wagner-Opern und die lange Reihe von international geschätzten Dirigenten und Wagner-Sängerinnen und –sängern noch eines hinzugefügt, ein ganz spezielles mit dem Titel „Von Adam bis Zobel – Ein Wagnersänger-Alphabet“.

 Darin sind seine persönlichen Erinnerungen an die Wagner-Sängerinnen und -sänger der vergangenen vierzig Jahre, auch an die zwischen Berlin und Dresden, Frankfurt (Oder) und Rostock, alphabetisch geordnet, niedergeschrieben. Es sind Sänger, die meist der „Eiserne Vorhang“ (in der ehemaligen DDR) von der Weltelite trennte, die aber oft aufgrund ihres Könnens auch in Bayreuth und den anderen großen Bühnen des internationalen Opernbetriebes gastieren konnten (und „durften“).

 Die Kolumnen, die Gruhl aus Anlass des Wagner-Jahres für die Zeitschrift „Musik in Dresden“ aus seiner Erinnerung schrieb, wurden immer länger, so dass der Gründer und Leiter des Verlages der Kunstagentur Dresden, Martin Morgenstern, der  sympathisch, locker und unprätentiös auch durch den Abend führte, die Idee hatte, alle diese Erinnerungen in einem Buch herauszugeben, das bei den vielen Opernfreunden auf großes Echo stoßen wird, ruft es doch Erinnerungen an eine Zeit mit zwar begrenzten Möglichkeiten, aber umso mehr Enthusiasmus und Leidenschaft für Wagners Opern wach.

 Die Opernfreunde nahmen oft weite Reisen auf sich, um manche Wagner-Oper zu erleben, die nur „in der Provinz“ gespielt wurde oder nur dort so inszeniert werden konnte, wie es z. B. in Berlin (aus politischen Gründen) nicht möglich gewesen wäre. Diese Einschränkungen führten oft dazu, dass Sänger des eher lyrischen Faches, die als Mozart-Sänger Furore machten, auch Wagner sangen, was der Musik aber keinen Abbruch tat. Sie sangen weniger kraftvoll und machten dadurch auf die lyrisch-romantische Seite in Wagners Musik aufmerksam. Wagner war schließlich mehr Romantiker als mancher glauben möchte.

 Neben den weltberühmte Stars, von denen hier nur einige genannt seien, wie Ludmila Dvoráková und Celestina Casapietra, Theo Adam, Peter Schreier, Siegfried Vogel, Dora Zschille, Ingeborg Zobel und Irmgard Boas (die jetzt noch mit 85 Jahren unterrichtet und bei der sich noch mancher Weltstar einen guten Rat holt), werden in dem Buch auch bewährte Sängerinnen und Sänger von mehr lokaler Bedeutung erwähnt, die aber an den „Nicht-Metropolen“ des Musiklebens ihr Bestes gaben. Da hatte keiner der Sänger-Darsteller die Meinung, dass es manchmal vielleicht  „nicht so darauf ankäme“. Sie gaben immer und an jedem Abend alles.

 Für Gruhl begann die Opernleidenschaft mit „Hänsel und Gretel“ im Kinosaal eines kleines Ortes in der Lausitz, wo das Landestheater gastierte, aber „da war‘s um ihn gescheh’n“ und erst recht, als er als Schüler eine Klassenfahrt nach Berlin zu einer „Tannhäuser“- Aufführung organisierte, mit Ludmila Dvoráková, der vielleicht letzten großen hochdramatischen Sängerin. Dort wurde er endgültig zum Opern- und vor allem Wagner-„Fan“.

 Jetzt möchte er die vielen Erinnerungen nicht einfach weglegen, sondern sie mit seinem Buch, mit dem viele Opernfreunde in Erinnerungen schwelgen können, festhalten und – wenn möglich – an die nächste Generation weitergeben, denn:

 „Manches Herrliche der Welt ist in Streit und Krieg zerronnen,

wer bewahret und erhält, hat das große Los gewonnen.“ (Goethe)

 Ingrid Gerk

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