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MÜNCHEN/ Bayerische Staatsoper: SOUTH POLE

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Uraufführung in München: „South Pole“ von Miroslav Srnka (Vorstellung: 6. 2. 2016)


Tara Erraught, Rolando Villazon, Thomas Hampson, Moijca Erdmann. Copyright: Wilfried Hösl

Welch eine Überraschung! Selten zuvor bin ich in eine Opernvorstellung mit so flauem Gefühl im Magen gegangen wie zu „South Pole“ von Miroslav Srnka in der Bayerischen Staatsoper in München.  Die Gründe hiefür: Von Regisseur Hans Neuenfels hatte ich noch  seine widerlich-sadistische Inszenierung der Simone Mayr-Oper „Medea in Corinto“ stark in Erinnerung und die von vielen Opernfreunden als skandalös empfundene Wiederaufnahme am vergangenen Wochenende der Poulinc-Oper „Die Gespräche der Karmeliterinnen“, gegen deren Inszenierung die Erben des Komponisten und des Librettisten Georges Bernanos geklagt hatten. Aber manche „Kulturschaffende“ glauben, sich über alle Regeln und Gesetze  hinwegsetzen zu können!

Doch dann die große Überraschung: Hans Neuenfels bot eine packende, mit vielen Feinheiten gespickte Inszenierung dieser Szenen eines Wettlaufs um die Entdeckung oder Eroberung des Südpols. Und er schuf gemeinsam mit Katrin Connan ein Bühnenbild, das ganz in Weiß gehalten war und damit trefflich die „weiße Hölle“, wie der Südpol oft genannt wurde, auf die Bühne bannte.  Überzeugend auch die Idee, diesen Wettlauf zwischen dem Norweger Roald Amundsen und dem Briten Robert Falcon Scott parallel nebeneinander darzubieten, obwohl die beiden in Wirklichkeit nie aufeinander trafen. Die in englischer Sprache gesungene Oper wurde mit deutschen Übertiteln gezeigt (links die Texte vom Team Scott und rechts vom Team Amundsen), die trotz der grellen Helle der Bühne (Licht: Stefan Bolliger) gut lesbar waren. Auch keine Selbstverständlichkeit! Die Kostüme – die Briten in dunklen, die Norweger in hellen Gewändern – entwarf Andrea Schmidt-Futterer.

Das Libretto der Oper, deren Untertitel Eine Doppeloper in zwei Teilen lautet, verfasste Tom Holloway, der bei den Texten auch auf Briefe und Tagebuchaufzeichnungen der Expeditionsteilnehmer zurückgriff. Im aufwendig gestalteten, 344 Seiten dicken Programmbuch, das originellerweise vorwiegend in Weiß gehalten ist, finden sich neben Probenfotos auch Pläne mit den Routen der beiden Expeditionen sowie das gesamte Libretto.

Dass manche Szenen für das Publikum nur schwer verdaulich waren – wie das Erschießen der bei Scott mitgeführten Ponys und das Töten der Hunde beim Team Amundsen, aber auch das tragische Ende der britischen Expedition, deren Kraft nach ihrer „Niederlage“ erlahmte–, lag naturgemäß an der historischen Handlung.

Die Partitur des tschechischen Komponisten Miroslav Srnka (geb. 1975 in Prag) beinhaltet im ersten Teil vorwiegend kratzende und klirrende Geräusche (Assoziationen zur Eislandschaft?), aber oft auch schwer zuordenbare Töne, im zweiten Teil dann doch rauschende Klangwellen, die vom Orchester der Bayerischen Staatsoper unter der profunden Leitung von Kirill Petrenko kongenial dargeboten wurden.

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Thomas Hampson als Amundsen mit seiner Landlady Moica Erdmann (Foto: Wilfried Hösl)

Erstklassig besetzt waren die beiden Expeditionsleiter: Scott mit dem Tenor Rolando Villazón und Amundsen mit dem Bariton Thomas Hampson. Beiden gelang es, die unterschiedlichen Charaktere ihrer Rollen blendend stimmlich wie schauspielerisch herauszuarbeiten. War Scott der lebendige, unstete Mann, der sich rührend um sein Team kümmerte und Gefühle zeigte, so war Amundsen ein strebsamer Egoist, ehrgeizig, machtbewusst und oft rücksichtslos.

Interessant gestaltet auch die beiden Frauen, die in der Oper ihren Männern als Traumbilder erscheinen: die Mezzosopranistin Tara Erraught in der Rolle der Kathleen Scott als ehrgeizige Dame und die Sopranistin Moica Erdmann in der Rolle der jungen Landlady, die Amundsen stets Vorwürfe wegen seiner Unfähigkeit für Beziehungen macht.

Das Team Scott bestand durchwegs aus Tenören: Dean Power, Kevin Conners, Matthew Grills und Joshua Owen Mills, das Team Amundsen aus Baritonen: Tim Kuypers, John Carpenter, Christian Rieger und Michael Plumb. Sie alle füllten ihre Partien rollengerecht aus. Es wäre ungerecht, den einen oder anderen herauszuheben.

Das Publikum belohnte am Schluss alle Mitwirkenden mit nicht enden wollendem Applaus, wobei das in München übliche „Fuß-Getrampel“ nicht fehlen durfte. Bravorufe gab es für die beiden Hauptdarsteller Thomas Hampson und Riccardo Villazón, für die beiden Damen Tara Erraught und Moica Erdmann sowie für den Dirigenten Kirill Petrenko.

Udo Pacolt

 

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