WIENER STAATSOPER 7.2.2016 – „TOSCA“
Wenn man in Wien ein Rollendebut von Evgeny Nikitin erleben will, so empfiehlt es sich jedenfalls nicht in die erste Vorstellung einer Serie zu gehen. Nach dem Pizarro in der ersten Vorstellung hat er nun auch kurzfristig den Scarpia abgesagt. Glücklicherweise konnte in Michael Volle ein erstklassiger Einspringer gefunden werden, bei dem man nicht von einer Notlösung sprechen kann. Wie schon im Dezember bei seinem Wiener Rollendebut überzeugte er nicht nur in seiner Gestaltung des machtbewussten, glatten Polizeichefs, sondern auch mit der vokalen Gestaltung und präziser Diktion. (Diesmal verpasste er auch nicht mehr den Einsatz bei „E qual via sciegliete“.) Dass er nicht auch den dritten Akt dominierte, liegt an der Rolle. Als 98. (!) Tenor präsentierte sich Jorge de Leon in dieser Inszenierung als Cavaradossi. Bei diesem großen Starterfeld sind seine Chancen auf einen Spitzenplatz verschwindend. Im ersten Akt offenbar von Nervosität geplagt, reichte die Luft oft nicht, um Phrasen auch klangvoll zu beenden und im Duett mit Tosca schlich er sich bei „occhio all’amor soave“ mit einem stufenlosen Schleifer zum B heran, einen Ton den er dann beim „La vita mi costasse“ präsentierte, indem er schnell zur Rampe eilte, um den Effekt ja deutlich zu machen. Leider sind Legato und Piani nicht seine Stärken und so gestaltete sich vor allem der dritte Akt zu einem Zusammentreffen eines seltsamen Paares. Der Tenor, der es lieber rustikal und ab einer Lautstärke Mezzoforte hat gegen Angela Gheorghiu, der alles was mehr als diese Lautstärke verlangt so gar nicht liegt. Ihre Tosca ist keine exaltierte Diva, sondern eher ein schüchternes, aber eifersüchtiges Mädchen, das sich vor dramatischen Ausbrüchen hütet. Beim „d’avanti lui tremava tutta Roma“ gerät sie mit der Deklamation einer Darstellerin der Comedie francaise des 19.Jahrhunderts an den Rand der Parodie.
Für den Dirigenten Patrick Lange, der für eine spannende Aufführung sorgte, ergaben sich durch die so unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Protagonisten teilweise kaum überwindbare Schwierigkeiten in der Anpassung an die Lautstärke der Sänger. Clemens Unterreiner war wie immer ein sehr guter Angelotti und Paolo Rumetz bemüht sich erfolgreich, einen ähnlich schrulligen Mesner zu gestalten wie das Urgestein Alfred Sramek.
Wolfram Igor Derntl war ein präziser, nicht allzu scharf klingender Spoletta und bei Il Hong war nach der kurzen Partie des Schließers nicht ganz klar, in welcher Sprache er diese gesungen hat. Neben Mihail Dogotari als Sciarrone ist noch der ausgesprochen sauber intonierende Hirte Bernhard Sengstschmid aus der Opernschule zu erwähnen. Der von Martin Schebesta einstudierte Chor erledigte seine liturgischen und konzertanten Aufgaben tadellos.
Wolfgang Habermann