Frankfurt: „OBERTO“ 18.02.2016
Kihwan Sim, Jader Bignamini. Copyright: Wolfgang Runkel
Im Jahre 1836 erhielt Giuseppe Verdi seine erste Anstellung als Maestro di Musica in Busseto in begann mit der Arbeit seiner ersten Oper „Rocester“. Ob das Werk verschollen ist oder in der nachfolgenden Oper „Oberto“ eingearbeitet wurde, ist unklar. Jedenfalls kam Oberto, Conte di San Bonifacio in Milano zur UA.
Traditionell führt die Oper Frankfurt jede Spielzeit eine konzertante Oper auf, dieses Mal fiel die Wahl auf Verdi´s Erstlingswerk und erwies sich als wahres Schmankerl. Die Story:
Italien zu Beginn des 13. Jahrhunderts. Von seinem Widersacher Ezzelino besiegt muss Oberto im Exil erfahren, dass seine Tochter Leonora von Riccardo, einem Gefolgsmann seines Feindes verführt wurde. Dieser hat sich jedoch in Cuniza, der Schwester Ezzelinos verliebt und will sie ehelichen. Oberto und die Verführte schleichen sich im Schloss ein und wollen die Tat publik machen. Als Cuniza vom Treuebruch ihres Verlobten erfährt, löst sie die Verbindung. Oberto wird von Riccardo im Duell tödlich verletzt, dieser bereut, hinterlässt Leonora alle seine Besitztümer, flieht ins Ausland, bittet um Vergebung und die Verlassene geht ins Kloster.
Der Melodienreichtum des jungen Verdi ist schon verblüffend, dramaturgische Zuspitzungen wirken ausgeprägt und lassen bereits spätere Werksanklänge erahnen. Der italienische Dirigent Jader Bignamini wurde mit der musikalischen Einstudierung betraut und debütierte mit dem Elevenwerk des italienischen Meisterkomponisten, erstmals in Deutschland.
Unter der Stabführung des jungen Maestros war das Frankfurter Opern- und Museumsorchester nicht wiederzuerkennen. Bereits zur brillant musizierten Ouvertüre war dem Zuhörer klar salopp formuliert, hier gibt´s was auf die Ohren. Der temperamentvolle Italiener legte mit diesem Einstand eine Aufführung hin, forderte unerbittlich exakt eingehaltene, agogisch mitatmende Rhythmik und feuerte das willig folgende, hochmotivierte Orchester zu jenem musikalischen Furor an, welcher dieser Jugendoper bereits ihren unwiderstehlichen Drive verleiht.
Maestro Bignamini schöpfte mit jugendlichem Elan, drängender Frische aus dem Vollen, verstand es zudem mit viel Feingefühl sich die Seelenzustände der Protagonisten, deren lang strömenden Atem und ganz besonders deren Technik zu schnellen Tempi bestens hineinzuversetzen. Auf wunderbare Weise wurde die Rolle das Gewicht des Orchesters offenbar, die permanent geforderte Gestaltungskraft, die mitentscheidende Qualität des Kollektivs unter der exzellenten Einstudierung Bignaminis.
Unglaublich agil, organisch artikulierend, fein differenziert, in markant zugespitzten Akzentuierungen präsentierte sich der von Tilman Michael bestens präparierte Opernchor und bot gesangstechnisch anspruchsvollen Belcantogesang allererster Güte.
Von so viel Brio beflügelt ließen sich die famosen Solisten nicht zweimal bitten und zu Gesangsleistungen der Extraklasse animieren. Man möge es mir verzeihen, dass ich den Titelgeber zuerst würdige. Kihwan Sim der koreanische Bass und Ensemblemitglied des Hauses, verlieh der gekränkten und rächenden Vaterfigur noble Perspektiven. Sim hat ein kultiviert weich strömendes Bassmaterial zu eigen, versteht es seine Stimme prächtig aufblühen zu lassen und untermalt in verhaltener Mimik zudem in markanter Form die noblen Charakterzüge dieser Figur.
Die aufstrebende in ihrer Heimat bereits geschätzte italienische Sopranistin Maria Agresta debütierte in Frankfurt und wartete mit jugendlich-dramatischen Vokalqualitäten auf. In technischer Akkuratesse verstand es die junge Sängerin Verdis frühe Kantilenen auf hohem Niveau zu vermitteln. Substanzreich, kultiviert, beseelt, intensiv im Ausdruck und eindringlichem Stilgefühl hauchte sie der Leonora, glaubwürdige Intensivität ein.
Stilvoll mit strahlendem Höhenpotenzial, weicher Mittellage ihrer flexiblen Mezzostimme überraschte Claudia Mahnke als verzichtbereite Cuniza. Lyrische Soprantöne von Wohlklang schenkte Karen Vuong der Imelda.
In bester Manier steigerte Sergio Escobar seinen schön timbrierten Tenor zu farbenreicher Tongebung und sanglichem Potenzial. Stilsicher schmetterte der junge Spanier sein Höhenpotenzial und verstand es zudem als reumütiger Riccardo, mit legatoreichen, magischen Momenten zu überzeugen.
Das Publikum des leider nicht voll besetzten Hauses war hingerissen und spendete allen Beteiligten zehnminütige Ovationen.
Gerhard Hoffmann