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WIEN/ Theater a.d. Wien: OTELLO von Rossini, diesmal mit Desdemona aus dem Orchestergraben

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OTELLO v. G. Rossini – 23. Februar 2016/Theater a.d. Wien

(Heinrich Schramm-Schiessl)


Carmen Romeu. Foto: Agentur

Wenn man in Zusammenhang mit Oper „Otello“ sagt, denkt man natürlich sofort an Giuseppe Verdis Meisterswerk. Nur eingefleischten Opernliebhabern fällt dabei ein, dass es bereits 71 Jahre vorher eine Vertonung des Shakespeare-Stoffes gegeben hat, nämlich durch Gioacchino Rossini. Wiewohl dieses Werk, zwischen den genialen Buffo-Opern „Barbiere di Siviglia“ und „La Cenerentola“ entstanden, bei der Uraufführung und auch in den Jahren danach ziemlich erfolgreich war, ist es, letztlich auch durch den Erfolg des Verdischen „Otello“, ins Abseits geraten. Obwohl es ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts immer wieder „Wiederbelebungsversuche“ – vor allen Dingen mit Virginia Zeani als Desdemona – gegeben hat, setzte erst in den letzten zwanzig Jahren so etwas wie eine Renaissance, sicher auch dank der Bemühungen des Rossini-Festivals in Pesaro, ein.

Was ist nun der Unterschied zwischen den Werken, lässt man den Umstand, dass die beiden Komponisten zwei verschiedenen Stilepochen angehören, einmal außen vor. Verdi schuf, letztlich unterstützt durch den kongenialen Librettisten Arrigo Boito ein praktisch durchkomponiertes, letztlich auf drei Personen reduziertes, Seelendrama um Liebe, Eifersucht und abgrundtiefen Hass, während es sich bei Rossini um eine typische „Nummernoper“ handelt. Dazu kommt, dass die Handlung bei Verdi klar durchstrukturiert ist, während sie bei Rossini doch etwas komplizierter ist. Zudem gibt es in der Person des Rodrigo, der bei Verdi nur eine Nebenrolle ist, einen echten Rivalen Otellos, wobei diese Rolle, so wie Otello und Jago ein Tenor, wahrscheinlich sogar die dankbarere ist.

Die Musik Rossinis enthält natürlich alles, was eine Oper in dieser Zeit verlangte. Spektakuläre Passagen der Tenöre wechseln mit gefühlvollen Momenten der Desdemona ab und natürlich fehlen auch eindrucksvolle Ensembles nicht.

Das Theater an der Wien hat nun diese Saison diese Oper ins Programm genommen und entspricht damit seiner Kernkompetenz, nämlich Opern zu bringen, die im normalen Repertoire nicht oder zumindest sehr schwer realisierbar sind. Leider kann ich jedoch in den allgemeinen Premierenjubel, zumindest was die Inszenierung betrifft, nicht einstimmen. Daniele Michieletto verlegt die Handlung – fast könnte man sagen, natürlich, denn das ist ja das wichtigste Element der zeitaktuellen Regie – ins Venedig von heute, in die Welt der Großbanker und Wirtschaftsmagnaten. Otello ist natürlich nicht dunkelhäutig – die Ablehnung des sogenannten „Face-painting“ ist eine der unsinnigsten und übertriebensten Ausformung der Political Correctness – sondern ein Araber, besser gesagt, ein gläubiger Moslem. Dies wird durch den entsprechenden Bart und einen Turban – es ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit, wann das auch als diskrimimierend bezeichnet wird – sowie durch den Umstand dokumentiert, dass er Desdemona das Tuch, dass er ihr schenkt, als Kopftuch aufsetzt. Und da beginnt mir die Logik zu fehlen, denn ich halte es für nicht glaublich, dass ein gläubiger Moslem Geschäfte mit „ungläubigen“ Kapitalisten macht und sich so in ihren Kreisen bewegt. Natürlich fehlen auch sonstige „Pflichtelemente“ des zeitaktuellen Theaters, wie Koffer, Rollstuhl, szenisch ausgedeutete Ouvertüre oder zusätzliche stumme Personen – hier Francesca da Rimini und Paolo – nicht. Dabei wartet Michieletto mit einer durchaus durchdachten und gut strukrutierten Personen- und Chorführung auf, wobei mir allerdings nicht klar wurde, warum Jago die ganze Zeit wie ein Gestörter herumrennen muss. So gesehen bräuchte es eine solche Transferierung gar nicht. Das Einheitsbühnenbild – auch so ein Element des zeitaktuellen Theaters – von Paolo Fantin war optisch ansehnlich und die Kostüme (Carla Teti) natürlich von heute und daher fad.

Wesentlich besser sah es auf der musikalischen Seite, insbesonders bei den Sängern aus. John Osborn, ein weltweit geachteter und gefragter Interpret dieses Faches sang einen durchaus beeindruckenden Otello. Er besitzt eine hervorragende Technik und sang stilistisch einwandfrei. Die Spitzentöne kommen bombensicher und mit vollem Klang. Dass er, wie fast alle Vertreter dieses Faches, über kein spezifisches Timbre verfügt, weiss man. Ihm durchaus ebenbürtig ist Maxim Mironov als Rodrigo, auch wenn er bei den Spitzentönen nicht ganz mithalten kann. Seine Stärke sind vor allen Dingen die lyrischen Passagen, wenn es daramtisch wird, sind schon gewisse Grenzen sichtbar. Der Jago des Vladimir Dmitruk fällt mehr durch das von ihm verlangte hektische Spiel – siehe oben – als durch seine Stimme auf. Er singt zwar auch sehr gut, kommt aber an die beiden anderen nicht ganz heran, denn die Stimme klingt manchesmál doch sehr farblos und einigermaßen dünn. Da Nino Machaidze erkrankt war, sang statt ihr Carmen Romeu die Desdemona. Sie sang tatsächlich nur – aus dem Orchestrgraben – während Machaidze auf der Bühne agierte. Das ist auch so eine Unart von heute, denn einerseits wäre es speziell in der kalten Jahreszeit sinnvoll, ein Cover zu haben, dass die Proben mitmacht, andererseits müßte es doch möglich sein, dass ein Regieassistent oder der Abendspielleiter sie einweist, so diffiziel war die Rolle nämlich auch nicht wieder angelegt und sie hat sie auch schon auf der Bühne gesungen. Sie begann an sich recht gut, hatte aber in den dramatischen Stellen des zweiten Aktes, speziell in der Höhe, doch einige Probleme. Ihre große Szene im dritten Akt gelang ihr dann wieder recht gut. Fulvio Bettini war ein etwas hohlstimmiger Elmiro. Mit einem hübschen Tenor ließ Julian Henao Gonzalez in der kurzen Rolle des Lucio aufhorchen. Nicola Pamio ergänzte als Doge. Gaia Petrone (Emilia) ließ sich als indisponiert entschuldigen, was man auch deutlich hörte und entzieht sich somit der Kritik. Der A.Schönberg-Chor war verlässlich wie immer.

Nicht ganz glücklich wurde ich mit dem Orchester. Die Wr. Symphoniker spielten zwar tadellos – speziell die Soloinstrumente waren ausgezeichnet – aber der Dirigent Antonello Manacorda ließ sie viel zu hart und manchmal sogar knallig spielen. Ebenso fehlte die bei Rossini so wichtige Elastizität.

Am Schluß viel Jubel, speziell für die Tenöre.

Heinrich Schramm-Schiessl

 

 

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