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ZWEI LEBEN

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FilmPlakat Zwei Leben  Zwei Leben Koehler x

Ab 26. Dezember 2013 in den österreichischen Kinos
ZWEI LEBEN
Deutschland, Norwegen  /  2012
Regie: Judith Kaufmann, Georg Maas
Mit: Juliane Köhler, Liv Ullmann, Ken Duken, Rainer Bock u.a.

Der Film stellt ein Problem in den Mittelpunkt, dessen wir uns hierzulande kaum bewusst sind, das in Norwegen aber heute noch, Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg, eine schmerzende Wunde darstellt. Das Stadtmuseum von Oslo, sonst ein „freundliches“ Haus mit vielen Dokumenten zur Stadtgeschichte und den ganzen Beständen des dortigen Theatermuseums, hat einige „tragische“ Räume dafür vorbehalten: Es geht um jene Frauen, die während der deutschen Besatzung sexuelle Beziehungen zu deutschen Soldaten eingegangen sind. Ein Foto zeigt, wie sie nach dem Krieg von ihren Mitmenschen, die diese Kollaboration nicht verzeihen konnten, regelrecht an den Pranger gestellt und gesellschaftlich geächtet wurden. Aber das ist nur ein Teil der Problematik.

Die Kinder aus diesen Beziehungen waren für die Nationalsozialisten kostbar, nordisch, arisch, und der Film „Zwei Leben“ erzählt, wie das NS-Unrecht von einst von der DDR, zumindest von der Stasi, fortgeführt wurde. Man hat die Kinder norwegischer Mütter von diesen getrennt und in deutschen Kinderheimen aufgezogen. Nach dem Krieg wurden sie „Menschenmaterial“ für die Stasi – und selbst, wenn Autor / Regisseur Georg Maas nach einem Roman von Hannelore Hippe daraus vordringlich einen wirklich spannenden Krimi gemacht hat, wird die volle Problematik nicht unter den Tisch gekehrt.

Der Film spielt nach dem Fall der Mauer. Man lernt Katrine Evensen Myrdal kennen (hervorragend: Juliane Köhler), glücklich verheiratet mit dem norwegischen Schifffahrtsoffizier Bjarte Myrdal (Sven Nordin), Mutter einer halb erwachsenen Tochter (Julia Bache-Wiig), Tochter einer norwegischen Mutter, Ase Evensen (wieder einmal ist die große Liv Ullmann auf der Leinwand zu erleben). Katrine war ein Kind aus der Beziehung mit einem Deutschen und kam später, aus dem Stasi-Lager geflohen, nach Norwegen, fand die Mutter, baute sich hier ein Leben auf…

Es ist bloß nicht so. Nach der Wende, als sich ein Anwalt (Ken Duken) nun um die Wiedergutmachung an diesen Opfern (Müttern wie Kindern!) bemühen will, kann Katrine keine genauere Betrachtung ihres Falles brauchen. Denn sie war zwar eines der Kinder im Heim, aber seit frühester Jugend (durch enge persönliche Bindung an ihren gnadenlosen Führungsoffizier – unheimlich: Rainer Bock) von der Stasi indoktriniert. Man hat die echte Tochter von Frau Eversen getötet und Katrine an ihre Stelle gesetzt, um die Geheimnisse der norwegischen Marine auszuspionieren. Dass sie Bjarte lieben lernte, heiratete und ihren Auftrag zugunsten eines „normalen“ Lebens hinter sich ließ – das kracht nun in allen Fugen, als die Stasi ihrerseits ins Zentrum von Untersuchungen gerät, in deren Rahmen die fingierte Lebensgeschichte nicht standhalten kann…

Der Film läuft zweisprachig, Norwegisch und Deutsch, zeigt den scheinbar glücklichen Alltag einer Familie, in der man sich liebt und vertraut, und die Seelenqualen einer Frau, die nicht verhindern kann, dass all das als Lüge entlarvt wird – wobei die Geschichte sowohl in Rückblicken erzählt wird wie auch in Katrine hektischen Reisen nach Deutschland, um die Spuren zu verwischen.

Das doppelte Verbrechen, der Nazis erst, die die Kinder „raubten“, der DDR danach, die sie missbrauchte, wird nicht mit Zeigefinger-Moral pathetisch hingestellt. Gerade, weil alles so tragisch selbstverständlich abläuft, wird die Ungeheuerlichkeit umso stärker präsent. Deutschland hat diesen Film als Kandidaten für den Auslands-„Oscar“ 2014 eingereicht. Er würde ihn, in Nachfolge von „Das Leben der anderen“, verdienen, denn die Aufarbeitung der Vergangenheit ist echt und zeigt, wie ihre zerstörerischen Folgen weit über das Zusammenkrachen der Regime hinaus nachwirken.

Renate Wagner

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