Opern-Krimi in der Krypta: Peterskirche:„TOSCA“ – 8.3.2016 – Präsentiert von der Konzert-/ Künstleragentur „In höchsten Tönen“
Durch einen Seiteneingang von St. Peter in der Wiener Innenstadt, gleich neben dem „Graben“ und unfern von St. Stephan, steigt man ins tiefe Untergeschoß der Kirche. Um ein paar Ecken kommt man dann in den mit Sitzreihen gefüllten Raum, dessen vorderes Ende als Bühne dient. Im linken Seitenteil befindet sich der Steinway-Flügel mit wunderbarem Klang, jedoch stimmungsbedürftig, was aber irgendwie zur Stimmungsmache in diesem mysteriösen Ambiente beiträgt. Der hinter der Bühne befindliche Gewölbeteil wird in verschiedenen blau-grün-violett-Schattierungen geheimnisvoll ausgeleuchtet. Ein Tisch und zwei Sessel sind das ganze Inventar. Dem Mario Cavaradossi wurdevon der Malerin Claudia Mark zwecks Besingung ein eigenes Ölbild zur Verfügung gestellt.
Das Ensemble mit Sergio Tallo-Torres, Elisabeta Marin, Apostol Milenkov u.a.. Foto: Herta Haider
Dass die in den größten Opernhäusern der Welt beheimatete Puccini-Oper auch hier „funktioniert“, ist einerseits diesem meisterhaftem Kriminalstück mit der aufregenden Dreierbeziehung zwischen Sopran, Tenor und Bariton zuzuschreiben, andererseits dem mit Leidenschaft agierenden kleinen Ensemble, bestehend aus einer Pianistin (Elena Upryamova), den drei Hauptrollensängern und einem weiteren Bariton (Joel A. Wolcott), der mit starker Stimme den Mesner und Scarpias beide Schergen übernimmt, sowie ein paar Kindern, die gemeinsam die Hirtenweise zu früher Morgenstunde vor dem Caste lSant’Angelo singen. Der Chor im 1. Akt bleibt ebenso ausgespart wie der flüchtige Angelotti. Die Auftritte erfolgen durch den Mittelgang des Saales. Statt von der Höhe der Engelsburg zu springen, ersticht sich Tosca am Ende.
Was bleibt? Alles Wesentliche zum mühelosen Verständnis der Geschichte, die in solcher Publikumsnähe natürlich noch „hautnäher“gerät als in weiter Bühnenferne in einem großen Theater. Dort allerdings hätten die drei großstimmigen Protagonisten auch gute Chancen gehabt. Floria Tosca wird von der Rumänin Elisabeta Marin verkörpert, die ja in der Holender-Ära auch einige Jahre dem Staatsopenrensemble angehörte. Sie nennt zwar kein aufregendes Timbre ihr Eigen, hat aber viel Stimmkraft aufzubieten, eine klangvolle Mittellage und sicher erreichte Höhen, mit denen sich Effekt machen lässt, da Puccini seiner Diva ja in höchster Erregung Angst- und Schreckensschreie zugesteht, die nicht unbedingt betörend schön sein müssen. Da die Sänger nur andeutungsweise kostümiert auftreten (und auf historisierende Gewandung verzichtet wird), muss die Sängerin ohne große Diven-Aufmachung ihre Rolle spielen, was sie eindrucksvoll zuwege bringt. Sergio Tallo Torres (ein Stammgst im Merker-Kunstsalon) kann, wie sich erwies, nicht nur lyrische Buffo- und Charakterrollen singen, sondern auch einen mehr als beachtlichen Puccini’schen Spinto-Helden, für den er eine kräftige Mittellage ebenso wie eine bombensichere Höhe mitbringtund somit Lyrik und dramatische Attacke klaglos bewältigt. (Dass er den Staatsoperkollegen der letzten „Tosca“-Serie mühelos an Sangesqualität übertrifft, sei nicht verschwiegen.)
Die dunklen Bassestiefen , mit denen Apostol Milenkov sich als Scarpia einführt, sind optimal geeignet, um den dunklen Charakter des römischen Polizeichefs spüren zu lassen. Wenn er dann mit heldenbaritonaler Kraft (immerhin hat er in Bulgarien schon Wotan gesungen!) seine Selbstbehauptung unermauert, kommt einem das Fürchten. Aber er ist kein vordergründiger Bösewicht. Wohl weiß er glaubhaft seinen starken Willen durchzusetzen, aber wenn es um Tosca geht…Die liebt er nämlich ganz offensichtlich wirklich – er greift sie nicht brutal an, sondern versucht sie zu umschmeicheln, und wenn sie ihm das Messer in die Brust gestoßen hat und er ihr sein „soccorso!“ und „muoio“ mit schwindender Kraft entgegen haucht, besagt das so viel wie “Wie konntest du nur? ich liebe dich doch so sehr!“ Sehr berührend! Es war dies Milenkovs Rollendebut, das hoffentlich viele weitere Auftritte zur Folge haben wird.
Langer Applaus und lautstarke Bravo-Rufe für das Künstlerteam hallten im geheiligten unterirdischen Raum wider. DerWirksamkeit dieses genialen Opernkrimis war er sogar förderlich.
Wenn so manche Opernfreunde meinen, derlei Experimente in kleinem Rahmen sollte man nie mit bekannten Werken machen, die ohnedies ständig an ersten Bühnen zu hören und sehen sind, so ist dem zu entgegnen, dass man dem künstlerischen Nachwuchs doch irgendwie Gelegenheit geben muss, gerade an solchen Meisterwerken zu lernen! Je besser das Stück, desto mehr Spaß und Freude machtes. Die Snobs, für die es jenseits von Staatsoper und Musikvereinkeine Kultur gibt, dürfen ja zuhause bleiben. (Man gestatte mir, aus eigener Erfahrung hinzuzufügen, dass ich in 30 Jahren Schultheater an einem Wiener Gymnasium die größte Begeisterung der jungen Menschen bei Schillers „Don Carlos“ Shakespeares „Macbeth“ und Wagners „Ring“ erlebt habe!)
Sieglinde Pfabigan