19.03.2016 Musiktheater Linz „Pelleas et Melisande“
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Copyright: Karl Forster
Die selten gespielte Oper Claude Debussys darf gemeinsam mit „Rusalka“ als traurigstes Märchen der Opernszene gelten. Während Dvoraks Werk wenigstens temporär freudvolle Momente bietet, kann das von „Pelleas“ nicht gesagt werden. Der Handlungsstrom bewegt sich zwischen trist und sehr trist, die musikalische Untermalung verstärkt den Eindruck, einer endlosen Tragödie beizuwohnen. Selbst der Waldszene, in der Golaud Melisande kennenlernt, fehlt jegliche Romantik. Man begreift nicht, warum Melisande Golaud folgt und ihn heiratet.
Es bedurfte wahrlich einer Meisterleistung des Regisseurs, Bühnen- und Kostümbildners und Beleuchtungsgenies in Personalunion, des Universalkünstlers Achim Freyer, um diese Produktion dennoch zu einem großen Erfolg zu führen. Die Idee, zahllose Scheiben mit wechselnden Farben als Bühnenbild zu installieren, war genial. Damit wurde die fehlende Interaktion der Protagonisten aufgewogen, ein Faktum, das wohl jeder anderen Oper zum Schaden gereicht hätte. Die Akteure waren in der etwas unbequemen Lage, als Marionetten agieren zu müssen, wodurch der Eindruck entstand, jeder singe für sich allein.
Der musikalische Teil, eigentlich wesentlich wichtiger als der szenische, stand doch sehr im Schatten der optischen Opulenz. Das Bruckner-Orchester Linz spielte unter der sicheren Stabführung von Dennis Russell Davies fehlerlos und sehr engagiert. Die fehlende Spannung – vor allem in den ersten drei Akten – darf man ihnen nicht zur Last legen. Ebenso gut war das Ensemble auf der Bühne. Die größte Wirkung ging vom Sänger des Golaud, Seho Chang aus. Mit seinem kernigen Bariton versuchte er, Ausdruckskraft und Dämonie zu vermitteln, ein schwieriges Unterfangen, wenn man sein Temperament bewegungseingeschränkt zügeln muss. Sein Bruder Pelleas wurde von Iurie Ciobanu gesungen, dem Sänger – auch bei Debussy gilt, dass der Gute im Tenorfach zuhause sein muss – fehlte es aber an der notwendigen Differenzierung in der Lautstärke, Kraft allein genügt nicht. Die unglückselige Melisande wurde von Myun Joo Lee gesungen. Mit ihrem lyrischen Sopran, der gegen die beiden stimmmächtigen Brüder etwas mehr Durchschlagskraft gebraucht hätte, war sie fast eine Idealbesetzung. Auch Nikolai Galkin als König Arkel konnte mit seinem profunden Bass reüssieren. Sehr talentiert zeigte sich Tabea Mitterbauer als Yniold. Sie sang die Rolle des Sohnes Golauds mit hellem, klarem Sopran.
Das verbliebene Publikum – die Pause wurde von einigen zum vorzeitigen Aufbruch genützt – war beeindruckt und spendete großen Applaus.
Die wenigen Buhrufe für Achim Freyer trübten dessen Freude an seinem gelungenen Werk kaum, hält er doch den für gescheitert, dem alle zustimmen.
Johannes Marksteiner