WIEN / Staatsoper:
LE CORSAIRE von Manuel Legris
Zweite Aufführung am 21. März 2016
Copyright: Wiener Staatsballett
Olga Esina und Vladimir Shishov, die längste Zeit das klassische „Premieren-Paar” der Wiener Ballett-Produktionen, mussten diesmal auf die zweite Vorstellung von „Le Corsaire“ in der Choreographie ihres Chefs Manuel Legris warten, um sich als Medora, die Geliebte des Korsaren, und als Titelrollenheld präsentieren zu können. Wo immer es zwei Besetzungen hintereinander gibt, drängen sich Vergleiche auf, wobei diese vielfach zu Gunsten des zweiten Abends – der auch noch stürmischer und temperamentvoller wirkte – ausfiel.
Olga Esina und Vladimir Shishov gelten nicht umsonst als Traumpaar des Wiener Ensembles. Die Chemie zwischen beiden, zumal in lyrischen Passagen, ist unvergleichlich, sie agieren wie eine Einheit. Dazu kommt, dass Olga Esina natürlich (im Vergleich zur erdenständigeren Vorgängerin) der Traumtyp einer Ballerina ist, in der Ausstrahlung eine Fee oder Prinzessin, die tragische und die glückliche Liebende gleich überzeugend verkörpernd (sie kann das einfach, aus Talent, aus Erfahrung, aus beidem). Und ihre Technik ist atemberaubend, ohne dass sie diese dem Publikum virtuos hinknallte – man hält den Atem an, so selbstverständlich vollzieht sie die größten Schwierigkeiten.
Vladimir Shishov hat an diesem Abend stupende Sprünge hingelegt und (eine wilde Haarpracht und Bart halfen, seine Erscheinung in Richtung „Korsar“ zu dramatisieren) etwas von der Gemessenheit, die man meist an ihm merkt, weggefegt. So, wie er mit Animo agierte, fiel übrigens auf, dass der Titelheld gegenüber den Damen stark in den Hintergrund tritt und zumindest Sklavenhändler Lanquedem eine mindestens ebenso gute Rolle ist wie der Korsar… Dass die Esina technisch immer noch besser ist als Shishov, kam zumindest im zweiten Akt, wenn der Choreograph sie in einen Pirouetten-Wettbewerb hetzt, nicht zum Tragen: Den gewannen sie wirklich gemeinsam…
Kurz, in einer Compagnie von großen Persönlichkeiten sind die beiden als Paar wirklich die Ersten unter Gleichen, mit dem gewissen Etwas, das sie über die anderen hinaushebt.
Manuel Legris hat die zweite Frauenrolle, die Gulnare, sehr gut behandelt: Abgesehen davon, dass sie im zweiten Akt ausfällt (sie ist im Harem, kann also nicht bei den Piraten sein), darf sie im ersten und dritten Akt wirklich viel zeigen – der Chef will ja schließlich, dass die erstrangigen Damen des Ensembles sich freuen, auch diese Rolle zu tanzen. Bei der Premiere bestand ein kleines Problem darin, dass Yakovleva und Konovalova sich zu ähnlich waren. Das konnte hier mit der ätherischen Russin Esina und der charmanten Japanerin Kiyoka Hashimoto, einer Tänzerin von großer Anmut und starker Persönlichkeit, nicht passieren.
Eine Überraschung war Mihail Sosnovschi, der in der Premiere ja der so gut wie nicht-tanzende Sultan gewesen war (was ihm nun Alexis Forabosco mit gleicher Noblesse nachmachte). Er musste, was nie leicht ist, als Sklavenhändler in die Fußstapfen von Kirill Kourlaev treten, dessen gewissermaßen animalisch-gewaltsame Ausstrahlung ja nicht zu kopieren ist. Aber auf seine Art war Mihail Sosnovschi, kraftvoll und elegant zugleich, ein ebenso interessanter und noch auffallend gut aussehender Bösewicht.
Alice Firenze tanzte wieder die Zulméa und legte mit ihrem neuen Partner Masayu Kimoto (vom Typ her das, was wir Wiener ein „Springinkerl“ nennen) im ersten Akt einen fast noch atemberaubenderen Tanz hin als bei der Premiere. Dieselben drei jungen Damen wie am Abend zuvor (Natascha Mair, Nina Tonoli und Prisca Zeisel) waren mit ihren Odalisken-Soli unterwegs und zeigten, was die Stars vom Nachwuchs unterscheidet.
Legris hat mit seiner Entscheidung zum altmodischen Handlungsballett (wie es ja die Franzosen so gerne haben) für Wien sicher richtig gewählt. Prächtig getanzter Augenschmaus, der den Solisten ihr ganzes Können abverlangt und das Corps in verwegen-bunte Tänze hetzt und auch in weißer Schönheit schwelgen lässt (bis zum Kitsch, wenn die Damen im weißen Tutu Rosengirlanden schwenken, aber sei’s drum) – das wollte auch das Publikum der zweiten Vorstellung sehen, das sich wiederum begeistert die Hände wund klatschte, wenn auch nicht so lange wie bei der Premiere.
Renate Wagner