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WIESBADEN/ Staatstheater: BORIS GODUNOW . Premiere am Karfreitag

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Wiesbaden: „BORIS GODUNOW“

 

                      Karfreitags-Premiere am 25.03.2016

Shavleg Armasi (Boris) Benjamin Russell (c) K.B. Karwasc
Shavleg Armasi. Copyright: Karl-Bernd Karwasz

In Zeiten zunehmend leerer Theaterkassen ist es durchaus legitim und begrüßenswert Produktionen anderer Häuser zu übernehmen und somit fand „Boris Godunow“ (Modest Mussorgski) seinen kurzen Weg von Darmstadt zum Hessischen Staatstheater Wiesbaden.

Allerdings bestückte Regisseur und Bühnenausstatter Christian Sedelmayer mit Pascal Seibicke die bestehende Produktion mit dem „Polen-Akt“ welcher sich jedoch als optischer Fauxpas erwies.

Mit Shavleg Armasi hatte man einen prachtvollen Bass für die anspruchsvolle Partie des Titelhelden engagiert. Der georgische Sänger verstand es in bewundernswerter darstellerischer Intensität  die Ängste,  die zwiespältige Charakteristik des Boris zu vermitteln. Dank der immensen vokalen Qualitäten seines farbenreichen in allen Lagen bestens fokussierten Stimmorgans voll satter Tiefe, feinsten Nuancierungen in Bereichen des Pianissimo, metallenen Aufschwüngen gelang Armasi ein glaubwürdiges, berührendes Rollenportrait. Man bedauerte die relativ wenigen Szenen mit diesem grandiosen Sänger.

Monika Bohinec (Marina) (c) Karl-Bernd Karwasc
Monika Bohinec (Marina). Copyright: Karl-Bernd Karwasz

Als ihr eigenes Denkmal, im Outfit der Jeanne d´Arc steht Marina auf einem Sockel, von einem Schwarm wedelnder Zimmermädchen „entstaubt“, blieb der Rollendebütantin (ihrer persönlichen Traumpartie) wenig Spielraum sich darstellerisch zu entfalten und somit blieb es beim intensiven Minenspiel. Allen dubiosen Widerwärtigkeiten des Szenarios mit Mummenschanz etc. zum Trotz faszinierte Monica Bohinec  mit vokalem Luxuspotenzial. Vom ersten Moment an nimmt die herrliche Mezzostimme für sich ein, überwältigend führt die persönlichkeitsstarke Sängerin ihr wohltönendes Organ in dramatisch aufblühende Höhen, schenkte den Tiefenbereichen die betörenden erotisch-lockenden Töne, kurzum die prägenden Attribute der zielstrebigen, machthungrigen Verführerin.

Ihr zur Seite dominierte im Kardinalsgewand Rangoni äußerst spielintensiv und Thomas de Vries verstand es vorzüglich sein strömend-dunkles Material wohlklingend für die intriganten Machenschaften der zwielichtigen Figur einzusetzen.

Durch die Kraft und Fülle seines klangvollen Bassmaterials formierte sich Young Doo Park (Pimen) zum nachdrücklich-ausdrucksstarken Gegenspieler des Zaren.

Mit imposant-metallenem Höhenpotenzial, sehr hell timbriertem Tenor leider ohne kernige Substanz, verfolgt Richard Furman als Dimitrij erfolgreich seine ehrgeizigen, politischen Machtziele. Passend zur regielich auferlegten schmierigen Buchhalter-Figur  versieht Alexander Fedin den Schuiski mit blassem Charaktertenor.

Sehr ausdrucksstark mit imposanten Bassattributen gestaltete auch darstellerisch profiliert Wolf Matthias Friedrich den Warlaam, in seiner Begleitung schenkte Minseok Kim dem Missail pointiert komödiantische Züge und baritonale Töne. In warme dunkle Vokalcouleurs hüllte Benjamin Russell den Schtschelkalow. Darstellerische Unterbelichtung widerfuhr dem Gottesnarr von Benedikt Nawrath tenoral dennoch nachdrücklich in Szene gesetzt.

Blass inmitten dieser Männerdomäne wirkten dagegen die Damen Ulrika Strömstedt (Fjodor), Stella An (Xenia), Celeste Haworth (Schankwirtin) währenddessen als matronenhafte Amme Helena Köhne im pastosen Altregister auftrumpfte.

Den kleineren Rollen verliehen Kyung Il Ko (Offizier), Aldomir Mollow (Tschernikowski), Jochen Elbert (Lawitzki), Stanislav Kirov (Mitjuch) sangliches sowie Andreas Wellano (Bojar/Teufel) stumm-mimisches Profil. Die Chöre der Staatstheater Darmstadt (Albert Horne) und Wiesbaden (Thomas Eitler-de Lint) klanggewaltig präpariert, leisteten  gewaltigen Beitrag zum Gelingen des musikalischen Gesamtkonzepts.

Inzwischen führte GMD Zsolt Hamar das Hessische Staatsorchester Wiesbaden zu einem  Qualitätslevel hohen Rangs und formierte wiederum das prächtig aufspielende Instrumentarium zu wahrem Klangrausch. Zudem bestach das Orchester durch rhythmische Präzision, intensive Farbmischungen der vielfältigen Partitur gleichwohl im feinnervigen Bereich sowie den eruptiven Ausbrüchen. Somit ergaben sich kraftvolle spannende und ebenso lyrische Momente konstruktiver Klangkultur.

Das bereits namentlich genannte Regieteam schuf eine solide Produktion unterteilt in acht Bildern mit recht umständlichen Umbauphasen bei geschlossenem Vorhang sowie zwei überlangen Pausen. Nach relativ spätem Beginn endete die Aufführung erst kurz vor Mitternacht. Ohne verfremdende Mätzchen (vom skurrilen Polen-Akt abgesehen) führte der Regisseur die Charaktere sowie die bestens geführten Chormassen realistisch spannungsreich durch die diversen, spärlich ausgestatteten Szenarien innerhalb der alles überspannenden unvollendeten Kathedralen-Konstruktion. Farbenfrohe Kostüme (Caroline von Voss) Pelzmäntel- und Mützen für die Obrigkeit, schäbige Kleidung fürs einfache Volk vervollständigten die teils beklemmende Optik.

Zehn Minuten begeisterte Zustimmung belohnte alle Beteiligten.

Gerhard Hoffmann

 

 

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