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WIEN/ Staatsoper: DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN

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WIEN/ Staatsoper: „DAS SCHLAUE FÜCHSLEIN“ am 3.4. 2016


Joseph Dennis, Roman Trekel und Markus Pelz. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

 Nach meinem Gefühl eine melancholisch gestimmte Oper. Kein Stück für Kinder, die mit Stofftieren als Begleiter im Arm in eine Welt eintauchen, deren erotische Anspielungen sie erst viel später in ihrem Leben verstehen werden. Otto Schenk zeigt die auch von mir geschätzte Liebe zum Detail. Er schöpft aus jahrzehntelanger Routine („Wegerfahrung“). Trotzdem bin ich von der Regie dieses berühmten „Theaterers“ enttäuscht. Die große Vision bleibt aus. Kritisieren ist leicht, so lange man keine Alternativen vorweisen kann. Aber darf ein Rezensent überhaupt schöpferisch tätig werden?  Es fällt mir die Autobiografie des Schweizer Chemikers und Forschers an Naturstoffen Albert Hofmann ein. Dieser spazierte einmal durch einen Wald und plötzlich, für wenige Minuten, empfand er die Natur um sich herum anders, er war mit ihr für eine beschränkte Zeit auf ganz neue Weise und in einer nicht mehr zurückholbaren Dichtheit verbunden. Darauf ließe sich zum Beispiel  in dieser Oper über die Natur und den Menschen in ihr neben dem Terynka-Motiv etwas Interessantes und Spannendes aufbauen.

Kommen wir zunächst zu den SängerInnen, die schon bei der Erstaufführung an der Wiener Staatsoper mitwirkten. Das Studium der Diskografie zeigt, dass die Rolle des schlauen Füchsleins von den großen Stars der Opernbühnen meist stiefmütterlich links liegen gelassen wurde. Obwohl Chen Reiss in unserem Haus des Öfteren die Traumrolle der Sophie anvertraut wird, mit dem Füchslein Schlaukopf ist sie überfordert. In der Mittellage fehlt die Durchsetzungskraft. Sie punktet lediglich manches Mal in den Höhen. Als „männlicher“ Partner würde der mit viel Kraft gesungene Sopran von Hyuna Ko passen, klänge  die Stimme nicht extrem hart. Wie schon in der Premiere fällt mir da der verliebte Hund der Ilseyar Khayrullova angenehm auf. Die auf markante Nebenrollen spezialisierte Donna Ellen wird als Frau des Försters und in der dankbareren Partie der Eule eingesetzt. Der Doyen des Hauses Heinz Zednik amüsiert uns als eingebildeter, aber unvorsichtiger Hahn.

Nun zu den Rollendebüts und Debüts an der Wiener Staatsoper. Ich kam mir vor wie jemand, der einen in guter Erinnerung behaltenen (Urlaubs)Ort unter anderen, schlechteren Verhältnissen wiedersieht. Mag vielleicht in der Premiere Gerald Finley den Förster zu nobel gesungen haben und Roman Trekel in die derbe Wirtshausgesellschaft besser passen. Joseph Dennis zeigt als Schulmeister zu wenig Charakterisierungskunst – die Rolle kommt für ihn zu früh – und Marcus Pelz fehlt als Pfarrer und Dachs jegliche Bassgewalt. Beide sind eindeutig Unterbesetzungen. Die Mücke ist jetzt nicht mehr das Alter Ego des Schulmeisters und wird verlässlich von Benedikt Kobel dargestellt. Der bei uns in zwei Stimmgattungen eingesetzte Paolo Rumetz gibt einen achtbaren Harašta.

Den übrigen Mitwirkenden und den weiteren „Tieren in Hof und Flur“ sei ohne näher zu differenzieren gedankt. Mit den Kindern der Opernschule können wir Freude haben. Ebenfalls gehören Licht (Emmerich Steigberger), Chor und Chorleitung (Martin Schebesta) erwähnt. Ich hätte mir eine intensivere choreografische Betreuung (Christian Herden) und für die  multitalentierte Ausstatterin Amra Buchbinder eine interessantere Aufgabenstellung gewünscht.

Der Dirigent der Erstaufführung in der Wiener Staatsoper Franz Welser-Möst hatte die Musik von Janáček zu einem seiner Fachgebiete gemacht. In meinen privaten Opernprotokollen schrieb ich nach dem 18. Juni 2014: „Wir werden die Wiener Philharmoniker in Zukunft nicht nur mit Strauss- und Wagnerklängen im Gedächtnis behalten.“ Diese Hoffnung besteht mit Tomáš Netopil weiter.                                                                            

Lothar Schweitzer

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