MÜNCHEN / BALLETTFESTWOCHEN 2016 des Bayerischen Staatsballetts
Eröffnungs-Premiere: „FÜR DIE KINDER VON GESTERN, HEUTE UND MORGEN“ / 03.04.
Mit der Aufführung von „Für die Kinder von gestern, heute und morgen“ ist dem Bayerischen Staatsballett ein großer Coup gelungen. Nur sehr selten werden Stücke von Pina Bausch von anderen Compagnien als dem Wuppertaler Tanztheater getanzt. In jahrelangen Verhandlungen, anfangs noch mit der 2009 verstorbenen Pina Bausch selbst, konnte Ivan Liška die Pina Bausch Foundation überzeugen, das 2002 entstandene Werk beim Bayerischen Staatsballett einzustudieren. Kein leichtes Unterfangen: Die klassisch trainierten Tänzer der Münchner Company mussten sich auf Pina Bauschs Tanztheater einstellen, d.h. auf modernen Ausdruckstanz und darauf, während einer Aufführung auch Dialoge und Monologe zu sprechen. Die Einstudierung begann daher schon im Jahr 2014. Regelmäßig reisten Mitglieder des Tanztheaters Wuppertal nach München, insbesondere Ruth Amarante, DaphnisKokkinos und AzusaSayama, um mit ausgewählten Tänzern des Bayerischen Staatsballetts „Für die Kinder von gestern, heute und morgen“ zu erarbeiten. Alle Mitwirkenden der Uraufführung gaben ihre Parts persönlich an ihre Münchner Nachfolger weiter. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Die 15 Tänzer der Premiere am 03.04. hatten sich Pina Bauschs Ausdruckstanz sehr gut zu eigen gemacht und verkörperten diesen Stil mit einer Selbstverständlichkeit, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Großes Kompliment! Besonders begeisterten die zierlich mädchenhafte und doch voller Energie steckende Joana deAndrade, die temperamentvolle, selbstbewusste und hochattraktive Marta NavarreteVillalba und der lässig elegante, sympathische Matteo Dilaghi.Das Stück selbst ist tatsächlich etwas für Kinder von gestern, heute und morgen, also für Erwachsene, die das Kind in sich bewahrt haben. In zusammenhanglos aufeinanderfolgenden Szenen probieren die Tänzer die Beweglichkeit ihres Körpers aus, spielen mit den Gesetzen der Schwerkraft, testen Beziehungen aus, freuen sich des Lebens oder machen auch manchmal einfach nur Schmarrn. Das alles zu verschiedenster Musik, von karibischen Rhythmen über Salonmusik der 20er Jahre bis hin zu Rockmusik und in sommerlich eleganten Kostümen von Marion Cito. Wenn man sich als Zuschauer darauf einlassen konnte, war es eine wunderbare Abwechslung zum Alltag, der in der heutigen Leistungsgesellschaft oft von der Suche nach größtmöglicher Effizienz geprägt ist. Wer jedoch von Pina Bauschs Ausdruckstanz nicht unmittelbar berührt wird, langweilte sich vielleicht auch ein wenig, da das Stück insgesamt sehr lang ist und auch innerhalb der einzelnen Szenen viele Bewegungen oft wiederholt werden, so dass leicht ein etwas eintöniger Eindruck entsteht. Das Premierenpublikum bestand offensichtlich zum großen Teil aus den Kindern von gestern, heute und morgen, für die das Stück ja choreographiert ist, so dass Tänzer und Einstudierungsteam mit großem lang anhaltendem Jubel bedacht wurden.
Gisela Schmöger
Foto: Wilfried Hösl