WIEN/Musikverein, Gläserner Saal – Liederabend JOSEF PROTSCHKA am 11.4.2016
Florian Uhlig, Josef Protschka. Copyright: Herta Haider
Unter dem Motto „Unerhörtes aus der Geister- und Menschenwelt“ hat Josef Protschka für seine Abschiedstournee einen hoch interessanten Abend zusammengestellt, der in sechs Blöcken Balladen der deutschen Romantik präsentiert. Das Thema ist immer wieder die Konfrontation des Menschen mit Grenzerfahrungen. Dabei zeigt der Künstler, dass besonders beim Liedgesang die Gestaltung aus dem Text eine wesentliche Grundvoraussetzung ist. Wenn der Zuhörer den Text versteht, erübrigt sich das Mitlesen im Programmheft und macht das Miterleben der Situationen viel leichter. Dieses genaue Eingehen auf den Text bringt auch überraschende Erlebnisse, So habe ich bislang den Schluss der Beiden Grenadiere immer nur durchgehend martialisch gehört, während Josef Protschka bereits bei den letzten beiden Worten mit brechender Stimme klarmacht, was das Klavier im Nachspiel verrät, nämlich, dass das die letzten Worte des Grenadiers sind. Im letzten Abschnitt nimmt sich der Künstler einer Gattung an, die nahezu vollkommen vergessen ist, dem Melodram. (Manche Regisseure verwechseln das heute mit einem Dialog, den man bedenkenlos in Opern streichen kann.) Kaum bekannt ist Das zerbrochene Ringlein (In einem kühlen Grunde), das Friedrich Nietzsche zu einem Eichendorff-Text geschrieben hat und auch die Lenore von Franz Liszt wird man kaum in einem Programm finden. Bei diesen Stücken zeigt der Sänger auch seine große sprachliche Kompetenz. Sein Tenor klingt nach wie vor frisch und modulationsreich und zeigt auch gegen Ende eines zweistündigen Konzertes, das er mit „Der Handschuh“ als Draufgabe beendete, keine Ermüdungserscheinungen.
Zusammen mit seinem kongenialen Partner Florian Uhlig am Klavier bescherte er einen wunderbaren Abend und gestaltete so einen Abschied, der echtes Bedauern über das Ende einer Karriere hinterließ.
Wer den Künstler noch einmal erleben will, muss schon eine Reise nach Amerika oder Deutschland machen, denn da sind weitere Stationen dieser letzten Tournee geplant.
Wolfgang Habermann