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WIEN/Staatsoper: SOLISTENKONZERT JOYCE DiDONATO — Das Venedig der „Yankee Diva“

Wiener Staatsoper
Solistenkonzert Joyce DiDonato/David Zobel — »A Journey Through Venice«
13. April 2016

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Joyce DiDonato bei ihrem zweiten Auftritt an der Wiener Staatsoper. © Wiener Staatsoper/Ashley Taylor

Joyce DiDonato bei ihrem zweiten Auftritt an der Wiener Staatsoper.
© Wiener Staatsoper/Ashley Taylor

I.
Die Irritation war Joyce DiDonato anzumerken, als sich nach dem ersten Stück des Abends, »Onde chiare che sussurrate« aus Antonio Vivaldis Ercole sul Termodonte, keine Hand zum Applaus erhob. Den gab es erst nach dem darauffolgenden »Amato ben«. Dann allerdings zeigte sich das Parkett nicht geizig. Wien ist schließlich nicht New York. Hierorts — so das Diktum eines Zugereisten — weiß man mit Liederabenden umzugehen.

II.
Erst zum zweiten Mal (nach einer Vorstellung von Il barbiere di Siviglia am 14. April 2009) trat Joyce DiDonato an der Wiener Staatsoper auf. Wer gekommen war, den nahm sie mit auf »A Journey Through Venice«, klug und witzig moderiert. Die aus Prairie Village, Kansas, gebürtige Sängerin sparte schon in ihrer Einleitung nicht mit Komplimenten an Wien und die Staatsoper, und daß sie bislang nicht viel Gelegenheit hatte, die Stadt kennenzulernen. Mit Interesse werden viele Ms. DiDonatos Ankündigung vernommen haben, daß sich dies in Zukunft ändern wird. Man darf gespannt sein.

III.Nach den zwei Vivaldi-Arien sang Joyce DiDonato, am Klavier begleitet von David Zobel, die Cinq mélodies de Venise von Gabriel Fauré. Wie die Sonne auf dem Wasser der Lagune und das Brechen der Wellen an den Palazzi nach der Durchfahrt einer Gondel klang da auf einmal die Stimme, fein schattiert hier, silbrig glänzend dort, und immer mit jenem einzigartigen Timbre, welches die wirklich großen Sänger unverwechselbar macht.

Mit Gioachino Rossinis La regata Veneziana, drei canzonette, entstanden in den Jahren 1830 bis 1835, ging es in die Pause; — nicht ohne ein Feuerwerk an stimmlicher und schauspielerischer Gestaltung. Wie Joyce DiDonato Anzoleta vor unseren Augen und Ohren zum Leben erweckte, keck, gespannt, aufgeregt, anfeuernd und schließlich jubelnd über des Liebsten Sieg, das allein war das Eintrittsgeld wert.

IV.
Der zweite Teil begann mit »Assisa al piè d’un slice … Deh, calma«, der Arie der Desdemona aus Rossinis Otello. Wer im Februar die Produktion im Theater an der Wien gesehen hat, wird nicht umhin können festzustellen, daß, krankheitsbedingte Umbesetzungen hin oder her, Joyce DiDonato hier eine Klasse für sich ist.

V.
Ms. DiDonatos Mezzosopran spricht (mit vielleicht minimalen Einschränkungen in der Tiefe) über den gesamten Stimmumfang gleichmäßig an. In der oberen Mittellage tritt, zumal wenn größere Lautstärke verlangt ist, ein leichter metallischer Ton hinzu, welcher der dunkel timbrierten Stimme zusätzlichen Körper verleiht. Dabei gelingen die Übergänge vom tiefen zum hohen Register übergangslos, die Triller kommen geläufig, die Stimme sitzt — Opernherz, was willst Du mehr?

VI.
Michael Heads Three Songs of Venice demonstrierten die Bemühungen amerikanischer Komponisten um eigenes Liedgut. Diese Lieder enthalten all jene Ingredienzien, welche den Connaisseurs z.B. auch Samuel Barbers und Charles Ives‘ Schaffen in diesem Genre lieb und wert machen.

Den Abschluß des offiziellen Teiles bildeten fünf Lieder aus Reynaldo Hahns Zyklus Venezia. Auch hier war — wie schon den ganzen Abend über — wieder jene Kontrolle über die Stimme festzustellen, welche die ganz Großen ihres Faches auszeichnet — und welche Opernfreunde im Alltag so oft entbehren müssen. Ein Gustostück auch, wie Joyce DiDonato in »Che pecà« einen älteren, ein wenig aus dem Leim gegangenen Venezianer vorzustellen vermochte.

VII.
Der Zugabenteil begann mit »Tanti affetti«, der Arie der Elena aus Rossinis La donna del Lago, wahrlich eine Leistung am Ende eines anspruchsvollen Liederabends. Und eine weitere Lehrstunde in Sachen Operngesang für alle, die zuhören wollten.

Darf man anregen, daß jene von Teilen der lokalen Presse und wohlwollenden Berichterstattern zu Stars hochgeschriebenen Ensemble-Mitglieder einen Mitschnitt des Abends erhalten? Nicht nur sie, auch die Opernfreunde zögen aus dessen Studium mit Sicherheit Nutzen.

VIII.
»Somewhere Over the Rainbow« aus The Wizard of Oz, subtil vorgetragen und dynamisch fein schattiert, als Referenz an das heimatliche Kansas, sollte das Solistenkonzert zu beschließen. Allein, wen die Wiener Opernfreunde ins Herz schließen, der muß mit — zumindest für amerikanische Verhältnisse — lang andauerndem Applaus rechnen. Und so wurden jene, die begeistert ausgeharrt hatten, mit einem besonderen Geschenk bedankt: mit »Morgen« von Richard Strauss, am Ende eines langen Abends vorgetragen in ausgezeichnetem Deutsch und mit stupendem, tragfähigen piano.

Es ist höchste Zeit, daß Ms. DiDonato die Eroberung der Staatsoper schon bald und in ungleich größerem Ausmaß als in der Vergangenheit fortsetzt. Die Wiener Opernfreunde versprechen auch, ihr keinen allzu großen Widerstand entgegenzusetzen.

Thomas Prochazka
MerkerOnline
14. April 2016

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