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Warum tu ich mir das an? Wo bleibt die Diva? Soll ich selber springen?
Wiener Staatsoper
Giacomo Puccini “TOSCA”
16.April 2016
Kaufmann auf der Warteliste
Da saß er nun, der arme Maler und wartete auf die Diva, doch sie kam nicht und kam nicht! Sollte er hingerichtet werden, ohne dass er seine Geliebte noch einmal sehen und umarmen hätte können? Hatte er entgegen den Wünschen der Diva zum Trotz, sein Lamento über das Ende des Lebens auch ein zweites Mal in die lauschende Runde geschickt und sie dankt es ihm jetzt mit Abwesenheit?
Wir wissen es (noch) nicht oder werden die Wahrheit nie erfahren und müssen uns mit Gerüchten über eine Zickigkeit zufrieden geben, die trotz liebevoller Umarmung während des Schlussapplauses oder vielleicht gerade derentwegen erst recht genährt wurden.
Es hätte wieder ein großer Abend werden sollen, so aber wurde dem, anfangs so gar nicht in Bestform angetretenen Jonas Kaufmann der dritte Akt schwer gemacht. So konnte er sich erst nach mehr als fünfminütigem Applaus entschließen, seine Arie zu wiederholen, dann: ancor manca la Diva, es fehlte ihm die Diva. Und das alles auf dem Stream der Staatsoper! Zeigte der Tenor in seiner Arie und erst Recht in der Wiederholung eine höchst artifizielle und fein abgestufte Leistung, vielleicht weniger mit der großen gesanglichen Leidenschaft vorgetragen, als mehr dem so bewußt bevorstehendem Lebensende in all seiner Bitterkeit geschuldetem Ausdruck. Keine Frage, nur ganz wenige waren in der Geschichte dieser Inszenierung je in der Lage, einen solch diffizilen gesanglichen Vortrag für den Cavaradossi zu erbringen. Das verpatzte La vita mi costasse im ersten Akt war bis zu diesem Zeitpunkt längst wieder vergessen.
Dass sich die Diva des Abends, Angela Gheorghiu, neben dem Missgeschick beim Auftritt im dritten Akt jedoch zu einer sehr guten gesanglichen Leistung, nicht zu letzt Dank ihrer Partner, hinreißen ließ, sei vermerkt. Mit ihrem beachtlichen Messer-C bei der Mordschilderung war noch die ganze Aufregung ihrer Tat zu fühlen, ihre große Arie – im Stehen absolviert – drückte fühlbar die schmerzhafte Erkenntnis des Scheiterns alles Guten und Schönen, ihres Glaubens und ihrer Hilfsbereitschaft aus. Dass sie nur so ganz wenig im ersten Akt die rollenimmanente Diva ausspielt, wundert einem, denn das scheint außerhalb der Bühne besser zu funktionieren. Hier hatte man manchmal den Eindruck, Mimi hätte sich nach Andrea della Valle verirrt.
Eindeutiger Gewinner des Abends war der fiese Scarpia, Bryn Terfel, der mit imposanten baritonalen Stimmmitteln den Chor-und Orchesteranteils des Te Deums spielend übertönte und im Palazzo Farnese alle Feinheiten des hinterhältlichen Lüstlings ausspielte.
Auch der tote Polizeioffizier trennte sich nicht vom Umhangtuch der Sängerin, welche verzweifelt versuchte, dieses Beweisstück aus seiner erstarrten Faust an sich zu reißen. Spoletta, der in dieser Rolle des Subalternen bestens aufgehobene Benedikt Kobel, brachte es deutlich sichtbar schwenkend auf die Engelsburg mit. Ein neues, den krimikundigen Fernsehern zugedachtes Detail für den Stream.
Alfred Sramek ist der sichtbar verzeifelte Mesner, dem die Ruhe seiner Kirche heilige Pflicht ist und Marcus Pelz gab den Polizeibüttel Sciarrone.
Auch unser Direktor hatte zu Beginn seinen Auftritt: Dominique Meyer kündete vor dem Vorhang neben der “guten Nachricht”, dass alle Sänger gesund seien auch die “schlechte Nachricht” von der grippiösen Erkrankung von Mikko Franck an und dessen Auswechslung durch den zeitgleich im Hause probenden Jesús López Cobos an, der dann mit sicherer Hand und unaufgeregter Attitüde seinen Politkrimi aus den vergangenen Zeiten Roms erzählte.
Keine Frage, dass beim Schlussapplaus der Sänger des Scarpias den lautesten Beifall erhielt. Und ich würde annehmen, dass der Dauerrufer auf der Galerie mit seinem hörbar penetranten und ständigem “Buh” wohl nur den zuständigen Inspizienten meinen konnte, der den Auftritt der Tosca verpatzte. Oder?
Peter Skorepa
MerkerOnline
Foto: Ashley Taylor-Wr.Staatsoper
Historisches zur Uraltinszenierung unserer Tosca
Wer die durchaus interessante Vita von Margarethe Wallmann liest kann erfahren, dass diese Frau nach einem typischen Emigrantenschicksal des vergangenen Jahrhunderts und ihrer Rückkehr aus Amerika, die immerhin erste anerkannte Opernregisseurin in Europa wurde. Von der Mailänder Scala engagierte sie Herbert von Karajan nach Wien und wenn es auch keine gesicherten Auskünfte über Geburtsort und Datum dieser Frau gibt (einmal ist Wien, ein anderes Mal Berlin angegeben, 1901 und 1904 konkurrieren als Geburtsjahr) sicher ist, dass die Inszenierung dieser Tosca in zwei Jahren, genau am 3.April 2018, an der Wiener Staatsoper ihren sechzigsten Geburtstag feiern kann. Und wenn die Aufführungen mit solcher Regelmäßigkeit wie bisher erfolgen, dann ist im gleichen Jahr auch die 600.Aufführung der Tosca in dieser Regie von Frau Wallmann erlebbar.
Es liest sich wie ein Who is Who der vergangenen und gegenwärtigen Opernwelt, wenn man die Hauptrollenträger und auch Trägerinnen, die zwischen diesen Kulissen schon aufgetreten sind, Revue passieren läßt. Man wird kaum einen berühmten Namen finden, der in dieses, jetzt schon museal anmutende Rom NICHT Glanz gebracht hätte. Leider fehlt da eine, nämlich Maria Callas, die seinerzeit mit ihrer Gagenforderung daran scheiterte, unter Karajan noch einmal in Wien zu glänzen.
Margarethe Wallmann hingegen stand noch für fünf weitere Inszenierungen der Staatsoper zur Verügung, darunter die mit viel Glanz und Glitzer gestaltete Turandot 1961 mit Nilsson, di Stefano und Price unter Molinari-Pratelli oder jene Forza del destino 1960 unter Mitropoulos, über die der bekannte Theaterkritiker Hans Weigel seine Rezension mit “Die Wallmann und der Krawallmann” titelte. Es schrieb sich seine persönliche Abrechnung mit dem Startheater unter Karajan von der Seele. Der Stehplatz schäumte damals vor Wut über so viel “Mut”.
Peter Skorepa
MerkerOnline