Capriccio von Richard Strauss am Theater an der Wien, Premiere am 18.4.2016
Maria Bengtsson. Foto/ Theater an der Wien/ Prammer
Ich liebe Capriccio.
Ich halte das Textbuch für eines der besten der Operngeschichte.
Und es gibt keine Oper, bei der die Autoren derart genau das wie-was-wann-wo festgelegt haben.
Wenn man den (publizierten) Briefwechsel Richard Strauss’ mit Clemens Krauss liest (oder das sehr empfehlenswerte Buch von Kurt Wilhelm: Fürs Wort brauche ich Hilfe), dann kann man nachlesen, warum die Autoren ihr Stück zu einer genau definierten Zeit, an einem genau definierten Ort ansiedeln.
Die Regisseurin hat diese Bücher entweder nicht gelesen oder – wahrscheinlicher – empfindet ihre eigenen Gedanken als viel wichtiger als die der Autoren.
Und jetzt kommen wir zu einem Kernpunkt: was ist die Aufgabe eines Regisseurs?
Meiner – zugegeben konservativen – Meinung nach ist die Aufgabe eines Regisseurs, ein Stück den Intentionen der Autoren folgend auf die Bühne zu bringen.
Frau Tatjana Gürbaca hat keine Moment lang versucht, die Oper Capriccio von Richard Strauss und Clemens Krauss zu inszenieren. Sie hat ihre verworrenen Vorstellungen dazu auf die Bühne gebracht, sonst nichts. Dass dabei solch handwerkliche Stümpereien passieren, wie dass die handelnden Personen mehrmals die falschen Ansprechpartner ansingen (z. B. „gut in Eure Mäntel gehüllt…“) ist noch das Harmloseste.
Diese Inszenierung ist einfach Sch….( na, sagen wir: ein Schmarrn; obwohl ich ursprünglich an ein anderes Wort gedacht habe). Iich verstehe nicht, wieso ein guter Teil des Publikums sie bejubelt hat. Ich hoffe, daß das einfach Menschen waren, die keine Ahnung davon haben, worum es in Capriccio geht und wie Capriccio sein kann.
Musikalisch war der Abend wesentlich erfreulicher.
Auch wenn das einleitende Streich-Sextett recht grob klang, war die Orchesterleistung einwandfrei.
Die Wiener Symphoniker unter Bertrand de Billy spielten fehlerlos. Den leichten, transparenten Tonfall, der dem Stück zusteht, hörte man allerdings an diesem Abend nicht.
Die Sängerleistungen waren – auf unterschiedlichem Niveau – durchwegs gut.
Vor allem Maria Bengtsson als Gräfin bot eine überzeugende Leistung. Lars Woldt als Theaterdirektor La Roche war in seiner großen Szene überzeugend. Der Konversations-Ton davor lag ihm weniger. Der Musiker Flamand war Daniel Behle, sein dichtender Konkurrent Olivier Daniel Schmutzhard. Ihr Umgang mit der Gräfin in dieser Inszenierung wäre im Original unbarmherzig mit einer „Roten Karte“ quittiert worden. Tatjana Ariane Baumgartner als Clairon sang gut. Die betörende Diva durfte sie durch Regie und Kostüm nicht darstellen. Trotz „Ansage“ ein stimmschöner Italienischer Sänger war Jörg Schneider. Dafür, daß er eine Karikatur darstellen sollte, fast zu schön.
Und wie weiter….?
Ich werde mir Capriccio sicher nochmals anhören. Aber von einem Platz mit Null Sicht auf die Bühne. Und hoffen, daß irgendwann, irgendwo, wieder ein Theater das wunderschöne Stück von Strauss und Krauss aufführt, und nicht den Schwachsinn, den sich ein Regisseur dazu ausdenkt.
Seltsam übrigens, dass im Programm zahlreiche Librettisten angeführt sind. Stefan Zweig (der das Thema vorschlug, aber zu Textbuch nichts beitrug), Joseph Gregor (der als Librettist vorgesehen war, aber daran scheiterte), Hans Swarowsky (der das französische Sonett fand und ins Deutsche übertrug). Richard Strauss selbst, der den Handlungsablauf wesentlich bestimmte. Aber der Verfasser des – m. E. genialen – Textbuches ist eindeutig Clemens Krauss und niemand anderer.
Andreas Schnabl