Foto: Burgtheater / Georg Soulek
WIEN / Akademietheater des Burgtheaters:
DIE WIEDERVEREINIGUNG DER BEIDEN KOREAS von Joël Pommerat
Premiere: 29. April 2016
besucht wurde die öffentliche Generalprobe
Mit Korea hat die Sache nichts zu tun, Autor Joël Pommerat hat bloß eine Metapher gesucht: Was fiele einem ein, wenn man etwas Unmögliches nennen sollte, etwas, das nie passieren kann? Ja, dass Nordkorea und Südkorea sich wieder vereinigen, das könnte schon in diese Kategorie fallen. Was das Stück „Die Wiedervereinigung der beiden Koreas“ dazu bietet, sind Szenen über die Unmöglichkeit, dass menschliche Beziehungen gelingen. Ein Pessimismus, der vermutlich von allen geteilt wird, die ihre eigenen Beziehungskisten nicht in den Griff bekommen. Also wohl viele.
Das Stück kennt man allerdings, man hat es vorige Festwochen in französischer Sprache gesehen und war schon damals nicht sonderlich angetan. Der mühseligen, unzusammenhängenden Szenenfolge nun mehr als zweieinviertel pausenlose Stunden lang auf der Bühne des Akademietheaters zu folgen, ist weder erleuchtender noch erheiternder, obwohl der Autor gelegentlich etwas Humor aufblitzen lässt. Wie in der besten Szene, wo ein Mann heiraten will und die Schwester der Braut ihm einen Skandal macht, weil er doch angeblich sie liebt. Im Laufe des Geschehens stellt sich heraus, dass er mit sämtlichen Schwestern seiner Zukünftigen (und die hat mehrere) Verhältnisse hatte. Lustig? Zumindest ein bisschen.
Tief tragisch geht es auch – das Elternpaar, das die Babysitterin anbrüllt, wo die Kinder seien, dabei gibt es diese gar nicht: Erfunden, um die Beziehung zusammen zu halten. (Was als Idee so neu nicht ist.) Das eine oder andere nahezu Absurde – die demente Frau in der Anstalt, die den Gatten, der sie besucht, jedes Mal von neuem nicht erkennt und ihn jedes Mal zu Sex aufs Zimmer nimmt. Das eine oder andere halb-kritische – was kann ein Lehrer, der seinen Beruf und Kinder wirklich liebt, denn in den Augen misstrauischer Eltern anderes im Kopf haben als Schmutzereien? Ein bisschen Satire gefällig – wie die Sekretärin den Chef, der sie sexuell bedrängt, hoch nimmt. Ein bisschen Schnitzler? Die Nutte und ihr Freier, den sie so dringend braucht, dass sie verspricht, es umsonst zu tun – und nachher ja doch Geld verlangt.
Da sind sie alle, die unglücklich Verliebten und jene, die nur die Schalheit ihrer Beziehung finden. Die Eltern und die Kinder, die Betrogenen und die Verlorenen, die Lesben und die Schwulen, der Irrglaube an die Liebe und der Haß derer, die wissen, dass man auf der Suche danach dem Unerreichbarem nachjagt. Aber hat man den Abend hinter sich, spürt man, wie belanglos alles war, was man da gesehen hat, und es ist nicht viel, was bleibt: Das Mitleid mit den Schauspielern nämlich, die hier Szenen spielen müssen, die ihnen nichts wirklich bieten, nur damit sie ihren Beruf ausüben dürfen… Eine tiefe Ödigkeit liegt über allem, der Bühne und dem Publikum.
Peter Wittenberg hat auf der weitgehend leeren Bühne (Florian Parbs) nicht viel inszeniert, er lässt seine neun Schauspieler „laufen“, sie können es ja sowieso von selbst. Sabine Haupt ist eine Bombe der Intensität, Dorothee Hartinger lässt mit ihrer schönen Hintergründigkeit aufhorchen, Petra Morzé und Frida-Lovisa Hamann sind etwas weniger gut bedacht, und Dörte Lyssewski kann ihren Star-Status, den sie sonst an der Burg doch hat, mit den ihr anvertrauten Banal-Rollen wirklich nicht behaupten.
Bei den Herren hat Martin Reinke am meisten zu tun, Markus Hering, Dirk Nocker und Daniel Jesch erfüllen ihre Pflicht. Damit an so und so vielen Abenden im Akademietheater zwar nicht der Vorhang aufgeht, sondern Lichtschranken die einzelnen Szenen teilen, die – ehrlich gesagt – keiner braucht.
Renate Wagner