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KÖLN/ Staatenhaus: LA CENERENTOLA. Konzertant

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KÖLN: LA CENERENTOLA                  Konzertante Aufführungen 22.+29.April 2016

 Wie in Köln-Berichten schon mehrfach erwähnt, spielt die Oper der Stadt derzeit im Provisorium „Staatenhaus“. Die dort sehr bescheidene Bühnentechnik (u.a. begrenzte Umbaumöglichkeiten) zwingt zu Spielplan-Kompromissen. Hierzu gehören auch konzertante Aufführungen von Werken, die in inszenierter Form prinzipiell vorhanden sind. Bei einer Baffi wie „Cenerentola“, deren Witz sich so richtig erst im Verein mit dem Bühnenspiel entfaltet, ist das besonders schade. Die bescheidene Bewegungsregie (EIKE ECKER) und ein paar Kostümtupfer (XENIA LASSAK) boten kaum Ersatz. Aber mit dieser Situation wird man bis (vermutlich) 2020 leben müssen. Auch ein gerade andiskutierter Gebäudewechsel ins ehemalig genutzte „Palladium“ würde an dieser Situation nichts Entscheidendes ändern.

Bezüglich „Cenerentola“ soll an dieser Stelle von zwei Aufführungen die Rede sein, welche im Wochenabstand erfolgten. Zu den Besetzungskonstanten gehört der Dirigent ALEXANDER SODDY, ein noch junger Mann, der seinen Weg zum designierten Mannheimer GMD u.a. über die Hamburgische Staatsoper (Korrepetitor, Assistent von Simone Young, zuletzt Kapellmeister) und Bayreuth (Assistent bei Kirill Petrenkos „Ring“) machte. Bei seinem Köln-Debüt leitete er die „Cenerentola“ ausgesprochen launig, pfefferte die Musik gehörig auf und sorgte für belebende Akzente. Die Holzbläser des GÜRZENICH-ORCHESTERs taten sich bei ihren quirligen Ouvertüren-Soli am 22.4. teilweise etwas schwer, ansonsten erklang Rossinis Musik ausgesprochen moussierend. Die Begleitung der Rezitative übernahm Alexander Soddy höchstselbst.

Köln verfügt über ein sehr kreatives Opernstudio, welches vor einiger Zeit mit Brittens „Rape of Lucretia“ sogar die „großen“ Produktionen des Hauses auf zweite Plätze verwies. Zwei der beteiligten Sängerinnen traten jetzt auch in der Rossini-Oper in Erscheinung: die kätzchenhafte Koreanerin DONGMIN LEE (staccatohelle Clorinde) und JUDITH THIELSEN (Tisbe mit Dorabella-Applomb). Zwei auch darstellerisch-mimisch exzellente Porträts, auf der gleichen Qualitätshöhe von „gestandenen“ Ensemblemitgliedern. Zu diesen gehört die Kolumbianerin ADRIANA BASTIDAS GAMBOA, bis vor acht Jahren auch noch dem Opernstudio angehörig und jetzt eine überall vorzeigbare Angelina von schöner Mezzo-Rasse, lyrisch empfindsam, koloraturensicher bis hin zum hohen C. Der Isländer BJARNI THOR KRISTINSSON gab einen süffisant-saftigen Alidoro. In frühen Jahren war er übrigens Mitglied der Wiener Volksoper. CARLO LEPORE erlebte man in Köln bereits als Mustafa („Italiana“), Alfonso („Cosi“) und Dulcamara („Elisir“), nun als Don Magnifico. Ein Komödiant seines Schlages füllt auch eine dekorlose Bühne voll aus.

Zu den gefragtesten Nachwuchstenören im italienischen, teilweise auch französischen Fach (aktuell in Lyon: Leopold in „La Juive“) gehört ENEA SCALA. Fraglos wird man Ihm an dem Haus, welches seinen Nachnamen trägt, in Bälde begegnen. Seine Stimme besitzt etwas von der Schneidigkeit eines Juan Diego Florez. Das Timbre freilich ist schmaler, die gefahrlos zur Verfügung stehende Höhe wirkt dazu etwas eng. Aber das verbindet sich günstig mit jungmännlichem Charme, welcher in Köln selbst bei den bemessenen Bühnenaktionen vorteilhaft zur Geltung kam.

Eine Erkrankung Andrei Bondarenkos führte am 22.4. zum kurzfristigen Engagement von PHILIPP ESTÈPHE als Dandini. Der 28jährige Sänger verfügt über einen sehr maskulinen Bariton. Auch seine überaus schlanke Erscheinung lässt verstehen, dass er u.a. als Giovanni reüssiert. Bei der Rossini-Partie wäre freilich stärkere vokale Gelenkigkeit denkbar. Auch schaute er relativ häufig in den Klavierauszug, obwohl die Partie längst zu seinem Repertoire gehört (zuletzt verkörperte er sie im Januar bei der Opéra de Tours), Youtube-Aufzeichnungen von Albert („Werther“) und Pierrot („Tote Stadt“) lassen vermuten, dass ihm melancholische Figuren um Grade besser liegen. Vielleicht könnte man das bei der Kölner Oper mal auf den Prüfstand stellen,

Die Aufführung eine Woche später wurde alternativer Sängerbesetzungen besucht. Leider musste Regina Richter krankheitsbedingt ihre Mitwirkung an allen mit ihr geplanten Vorstellungen absagen. In der Titelrolle hätte sie schon deswegen besonders interessiert, weil sie vor geraumer Zeit als Adalgisa neben der Norma von Edita Gruberova (das war noch im Haus am Offenbach-Platz) größten Eindruck machte. Adriana Bastidas Gamboa also noch einmal, möglicherweise um noch einige Grade virtuoser und empfindungsreicher als vor einer Woche. Überhaupt besaß dieser Abend ein besonderes musikalisches Flair, wie vom Publikum (leider erneut mit vielen Lücken) beifallsfreudig bestätigt.

ANDREI BONDARENKO, seinerseits gesundet, gab einen sehr markanten, aber genügend agilen Dandini, war weniger Kavaliersbariton als Belcantist mit Onegin-Dramatik. Launig geriet das Rollenporträt gleichwohl, auch wenn der Sänger stark an seinem Klavierauszug klebte.

Mit besonderer Spannung erwartete man das Rollendebüt von TAEJUN SUN als Don Ramiro. Der junge Koreaner tritt in die Fußstapfen seines Landsmannes Jeongki Cho (auch dieser gehörte einst zum Opernstudio) und hat ihn wohl schon überflügelt. Suns Tenor eignet eine weich gerundete Agilität, ist ausgesprochen schmelzreich, die Höhe klingt gänzlich unangestrengt und wie mit Samt ummantelt. Ein außergewöhnliches Kapital, welches pfleglich behandelt werden sollte. Auf Youtube befinden sich eine Reihe aussagekräftiger Livemitschnitte. Taejun Suns darstellerisches Potential, welches beim Ramiro nur bedingt zur Wirkung kam, sowie sein Bubencharme befördern Publikumssympathien nachhaltig.

Christoph Zimmermann

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