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WIEN/ Staatsoper: TURANDOT – Derniere der Premierenserie

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WIEN/ Staatsoper: TURANDOT- Derniere der Premierenserie am 12.5.2016


Yusef Eyvazov, Lise Lindstrom. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn

Die Premierenserie ist zu Ende – das ist ein guter Zeitpunkt für ein Resümee:

Das letzte Werk Puccinis, das er nicht mehr selbst fertigstellen konnte gab schon immer Anlass zu Spekulationen über die Authentizität. Das Finale (nach dem Tod der Liu) von Franco Alfano setzte sich in den 90 Jahren seit der Uraufführung unter Arturo Toscanini durch und dürfte den Absichten Puccinis entsprechen.

Dies kann man von der Umsetzung durch Marco Arturo Marelli leider nicht behaupten.

Der Schweizer Regisseur, der uns schon einige hervorragende Regiearbeiten geliefert hat, ist bei dieser Turandot-Inszenierung in dem Bestreben, mehrere Ebenen darzustellen, weit übers Ziel hinausgeschossen. Der Komponist in seinem Arbeitszimmer im Ringen um das Werk, die Aufführung des Werkes in einem Theater und das Stück selbst zur gleichen Zeit überfordert die Geschichte, die Verständlichkeit und praktische Umsetzbarkeit. Der Zauber dieses alten persischen Märchens geht verloren; es herrscht, unterstützt von einer Artistengruppe, rege Geschäftigkeit, die aber eher in die „Commedia dell arte“ als an den Hof des Kaisers von China führt. Der negative Eindruck dieser misslungenen Inszenierung wird allerdings teilweise durch ein ansprechendes Bühnenbild etwas gemildert.

In diesem Umfeld gab Gustavo Dudamel sein Debut als Operndirigent an der Wiener Staatsoper und konnte an seine Erfolge im Konzertsaal leider nicht anschließen. Laut und undifferenziert tönte es aus dem Orchestergraben und dem tapferen Kalaf wurde sogar in „Nessun dorma“ sein imposantes „Vincero“ zugedeckt und ihm damit die Wirkung genommen. Auch beim gewohnt schön und ausdrucksstark klingenden Chor dominierte diesmal die Lautstärke. Nur wenn man meint: „je lauter, je schöner“ haben wir eine sehr schöne Aufführung erlebt.

Auch bei den Gesangssolisten mussten wir nicht über mangelnde Lautstärke klagen:

Lise Lindstrom singt die Turandot weltweit, ist aber stimmlich von einer Idealbesetzung weit entfernt. Ihr Sopran klingt in den forcierten Höhen kraftvoll, aber schneidend scharf; in der Mittellage und in der Tiefe ist wenig Substanz vorhanden – sie wird auch im Duett von der Liu „übersungen“, was sicher nicht im Einklang mit den Charakteren der Handlung ist.

Diese unpassende Wirkung ist auch das Problem der Liu bei dieser Serie. Anita Hartig besitzt einen schön klingenden, kompletten, technisch hervorragenden Sopran, der aber den mädchenhaften, zarten Anforderungen, die eine berührende Liu ausmachen, bereits deutlich entwachsen ist. Sie verkörpert eher eine Turandot als ein verträumtes, zärtliches Sklavenmädchen. Dieser Eindruck wird durch die Personenführung noch verstärkt – wenn die mächtige Prinzessin vor der verzweifelten Liu zurückweicht, versteht man die (Märchen)welt nicht mehr.

Yusif Eyvazov hat die furchtbar schwierigen Voraussetzungen, unter denen sein erstmaliges Auftreten an der Wiener Staatsoper gestanden ist, mit bewundernswerter Gelassenheit und Kompetenz bewältigt. Es wäre unfair, ihn mit Johan Botha, dem stimmlich wohl besten Kalaf der Gegenwart vergleichen zu wollen – sein technisch guter, sicherer Tenor klingt in der Mittellage vom Piano bis zum Mezzavoce sehr schön, nimmt aber in der druckvollen Höhe eine etwas unschöne Stimmfärbung an.

Heinz Zednik zeigt als Altoum beeindruckende stimmliche Gestaltungsfähigkeit – die hohl tönende „Greisenstimme“ widerspiegelt die ungebrochene Macht des Kaisers von China und gebietet Respekt und Verehrung.

Der Timur wurde in der letzten Vorstellung von Ryan Speedo Green gesungen. Die Minister Ping, Pang und Pong waren mit Gabriel Bermudez, Carlos Osuna und Norbert Ernst sowohl darstellerisch als auch gesanglich gut besetzt, hatten aber als Gruppe unter dem Dirigat zun leiden – der andernorts erlebte, dynamische Eindruck wollte sich einfach nicht einstellen.

In den kleineren Rollen waren Paolo Rumetz (Mandarin), Won Cheol Song (Prinz von Persien) sowie Secil Ilker und Kaya Maria Last (Mägde) zu hören.

Angesichts dieser Neuinszenierung, die in allen Bereichen höchstens Mittelmaß erreichte, könnte man die ketzerische Frage einmal andersherum stellen: „Ist es wirklich nötig, in der Staatsoper eine neue Turandot zu schaffen, wenn man in der Volksoper eine hervorragende Produktion – sogar in italienischer Sprache – zur Verfügung hat?“ Hier sieht man deutlich, dass die zeitliche und räumliche Verlegung durchaus plausibel sein kann – eine extremere Verlegung als ins Reich der Käfer ist ja wirklich kaum denkbar!

Natürlich ist diese Frage nur rhetorisch gemeint, könnte aber vielleicht ein Denkanstoß sein, was man tun könnte, um zumindest das Niveau der Volksoper zu erreichen.

Maria und Johann Jahnas

 

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