WIEN/ Staatsoper: LA TRAVIATA am 17.5.2011. Hochkarätige Besetzung, prickelnde Spannung
Marina Rebeka. Foto: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Endlich ein Opernabend wie aus dem Lehrbuch, hochkarätige Besetzung, prickelnde Spannung im Publikum und wunderbare musikalische Umsetzung eines der bekanntesten Werke der Operngeschichte. Warum es nicht störte, dass sich das Geschehen auf einer ziemlich desolat bestückten Bühne (Alexandre de Dardel) wozu auch immer sich ständig Vorhänge heben, senken oder auf- bzw. zugezogen werden, dass das Regiekonzept (Jean Francois Sivadier), glanzloses Herummarschieren und seltsam anmutende menschliche Beziehungen vorsieht, und dass die Kostüme (Virginie Gervaise) wenig vom Glamour der Pariser Lebewelt ahnen lassen, ist ausschließlich den Akteuren zuzuschreiben.
Da war zum Beispiel Marco Armiliato am Pult des hervorragend spielenden Orchesters stets Herr der Lage, wie kaum ein Zweiter beherrscht er – derzeit wohl konkurrenzlos – das italienische Repertoire. Da war mit Dmytro Popov ein Alfredo am Werk, dem es nicht an Kraft mangelt, seine sichere Höhe war beachtlich. In der Mittellage und in den lyrischen Passagen hätte man sich etwas weniger Vibrato gewünscht. Besonders erfreulich war Marina Rebeka als Violetta. Ihre kräftige Stimme, die in allen Lagen bis in die Spitzenregionen glänzte, eroberte das Publikum im Sturm. Selten sah man eine Sängerin, die das „E strano“ mit so viel Temperament, mit unglaublicher Kraft und letztem Einsatz aller Stimmmittel bewältigte. Sie füllte die Rolle der Todgeweihten hundertprozentig aus, bis zuletzt versuchte sie – auch stimmlich – das unausweichliche Ende abzuwenden. Last not least darf man wieder alle Superlative anführen, die dem Jahrhundertsänger Placido Domingo auch in seinem 49. Dienstjahr an der Wiener Staatsoper zugeschrieben werden müssen: Ein fabelhafter Charakterdarsteller, phänomenale Bühnenpräsenz, höchste Professionalität im Gesang (nicht oft hört man den Vater Germont auch aus den vollen Klängen der Ensembleszenen heraus), dazu eine noch immer wohlklingende Stimme, die auch im Baritonfach beeindruckt.
Was will man mehr? Endloser Applaus war der Dank des Publikums an die Künstler.
Johannes Marksteiner