MÜNCHEN / Bay. Staatsoper / CARMEN – feurig, feurig … / 17.05.
Einen Tag nach der viel beachteten Meistersinger-Premiere zeigten sich Chor und Orchester nicht etwa premierenmüde, nein, sie waren richtig toll in Form. Auch Dan Ettinger am Pult des Staatsorchesters warf sich mit Verve ins Geschehen. Kleinere Unebenheiten in den Schmugglerszenen bereinigte er durch rhythmisches Hüpfen, um die erhöhte Aufmerksamkeit des Bühnenvolkes auf sich zu konzentrieren.
Im Juli 1992 hatte die Lina-Wertmüller-Produktion Premiere. Inzwischen heißt es längst „nach einer Produktion von Lina Wertmüller“. Das großräumige Bühnenbild von Enrico Job (auch Kostüme) bietet allen antretenden Sängern unbegrenzten Spielraum, ganz nach dem jeweiligen Gusto und Vermögen. Die Spielleiterin Bettina Göschl hat die Einstudierung mit der derzeitigen Besetzung betreut. Zahlreiche neue Details stachen positiv ins Auge. In wieweit das Ganze dem persönlichen Temperament der Sänger zuzuschreiben oder dem Ideenreichtum von Frau Göschl entsprungen ist, egal, das Ergebnis war höchst erfreulich und spannend.. Jedenfalls war das Treiben zwischen Carmen und José recht überzeugend animalisch und sexy. Vor allem aber gewann die Figur der Micaëla neues Profil.
Golda Schultz (Foto: priv.), die junge Südafrikanerin mit der engelsgleichen Sopranstimme, mit dem warm getönten Edeltimbre und der zu Herzen gehenden Sangesweise war dieses gar nicht so schüchterne Mädel vom Land. Eine Micaëla, die recht zielstrebig auszieht, José zu „retten“, ja, die sogar Anstalten macht, auf Carmen loszugehen. Sie hält sich zunächst noch zurück, wirft sich dann aber zum Aktschluss mutig zwischen die Rivalin und José und reißt Letzteren energisch mit sich fort. Kein „Seelchen“, kein „Trutscherl“ – eine mutige (und sehr hübsche) junge Frau. Schöner singen kann man die Partie ohnehin nicht. Mir kam Mirella Freni in den Sinn, nicht wegen etwaiger Timbre-Ähnlichkeiten sondern als Qualitätskriterium.
Nach den Galerien toller Mezzos in der Carmen-Partie (besonders stark in den frühen Aufführungsserien: Stefania Toczyska und Elena Zaremba), stand nun die zierliche Russin Elena Maximova (u. a. Elena-Obraztsova-Preisträgerin) als weiteres Rasseweib auf der Nationaltheaterbühne (Foto: Bay. STO-W.Hösl). Sie hat ein eigentümliches Timbre, viele kehlig klingende Töne in der Mittellage scheint sie aus einem undefinierbaren Orkus herauf zu holen. Das klingt zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, macht aber letztlich, zusammen mit ihrem tiefen Orgelregister, Eindruck und vermittelt durchaus Erotik.
Brandon Jovanovich, optisch typisch Amerikaner, vom Stimmtypus her auch kein südländisch getönter Tenor, aber ein mit Volleinsatz sich in die Rolle des José stürzender, fesselnder Interpret. Zum Schluss kam ihm ein bissl der Höhenglanz abhanden. Ildebrando D’Arcangelo ist mit markigem Bassbariton ein sehr guter Escamillo, weil allen Höhen und Tiefen der Partie gewachsen, und optisch ohnehin sehr treffend.
Die Damen Eri Nakamura und Angela Brower waren ausgezeichnete Vertreterinnen der Frasquita und Mercedes, begleitet von ihren ebenso guten Spezis Dancairo/Matthew Grills und Remendado/Francisco Vas. Besonders potente Stimmen hörte man von Zuniga/Tareq Nazmi (sein Bass gewinnt zunehmend an wohliger Wärme) und dem ungemein spielfreudigen Morales von Andrea Borghini (mit wachsendem Stimmvolumen lässt er auch das körperliche wachsen…).
Kräftiger Beifall, gewürzt mit einigen Bravi, für alle!
Doro Zweipfennig
Weitere Carmen-Fotos von Elena Maximova >
http://www.elenamaximova.com/photos-elena-maximova/carmen-carmen/
Info zum Tenor >