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BERLIN/ STAATSOPER: DER FREISCHÜTZ – Berlin hat eine neue Kammersängerin

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BERLIN/ Staatsoper: DER FREISCHÜTZ am 19.5.2016 – BERLIN HAT EINE NEUE KAMMERSÄNGERIN

Die Berliner Staatsoper im Schillertheater erlebt derzeit die Wiederaufnahme von Weber’s „Freischütz“, welcher seit 2015 in der düsteren Splatter-Inszenierung von Michael Thalheimer gegeben wird. Das aufwendige Bühnenbild zeigt das Innere eines Gewehrlaufes, welches sich nach hinten gehend verengt und den Solisten akustisch eine Hilfe zu sein scheint, jedoch aufgrund der Unebenheiten im Boden eine ziemliche Stolperstelle darstellt. Alles in allem muss trotzdem von einer Nicht-Inszenierung gesprochen werden, da, mit wenigen Ausnahmen, kaum wirklich Interaktion sondern Rampensingen stattfindet.

Zu manchen Premierenbesetzung gesellten sich zur Wiederaufnahme einige neue Gesichter. Ein Wiedersehen gab es mit Dorothea Röschmann in der Partie der Agathe, die der Vorstellung zusätzlichen Glanz verlieh und sich seit gestern Berliner Kammersängerin nennen darf. Im Anschluss an den Schlussapplaus fand die von Intendant Jürgen Flimm eher unseriös gehaltene Würdigung statt. Wahrlich verdient Röschmann diesen Titel wie kaum eine andere Sängerin der Hauptstadt, hat sich doch das ehemalige Ensemblemitglied im Haus unter den Linden ihre ersten Sporen verdient und seit knapp 20 Jahren sämtliche Rollen des Repertoires bedient, von Mozart bis Wagner. Aus der kecken Susanna ist eine wissende Gräfin geworden, aus dem Backfisch Zerlina eine glutvolle Donna Elvira und eben aus dem Ännchen seit 2015 auch eine jugendlich-dramatische Agathe. In dieser Partie, die ihr in der Premiere noch hörbar nicht in der Kehle lag, ist ihr mittlerweile eine ausgereifte Interpretation gelungen, die sie gestern auch in stimmlicher Höchstform präsentierte. Die Höhe wirkt sicherer als noch vor ein paar Jahren und insgesamt ist ihr gesunder, grosser Sopran eine pure Freude. Intensiv in Gestaltung und Spiel zeichnete Röschmann eine angsterfüllte und von bösen Ahnungen zerfressene Braut, die auch nach dem vermeintlichen Happy – End scheinbar ihrem Max nicht vertrauen kann.

Dieser fand in Gestalt von Andreas Schager einen Neuzugang im Ensemble. Auch er verfügt über ein stählernes Organ, welches allerdings zu oft den grossen Bogen vermissen ließ und eher den Siegfried rauskehrte. Dennoch, so sicher gesungen hört man den Jägersburschen selten. Nach dem soubrettigen Ännchen von Anna Prohaska durfte man nun das sehr lyrische Ännchen von Evelin Novak bewundern, deren schöner und voller Sopran hörbar in Richtung Agathe tendiert. Leider musste sie die aufgesetzte Regie Ihrer Rollenvorgängerin bedienen und in den denkbar unmöglichsten Posen agieren. Dieses Ännchen hat es in sich, ist scheinbar von allen Protagonisten die mit der schwärzesten Seele. Nur all zu gern quält sie ihre Agathe (mit der sie übrigens stimmlich und optisch hervorragend harmoniert), guckt lüstern wenn sich die Stimmung zur Wolfsschlucht verändert und zögert nicht, ihrer Schauergeschichte im 2. Akt mit blutverschmiertem Gesicht Nachdruck zu verleihen. Der Bass-Bariton Tobias Schabel ist mit dem Kaspar in seiner vielleicht besten Rolle im Schillertheater zu erleben. Kernig und höhensicher präsentierte er sich und verlieh dem Vom-Wege-Abgekommenen die nötige Gestalt und Grösse. Wieder mit dabei der Altvater Kuno in Gestalt von Victor van Halem, dem man aufgrund seines Alters sämtliche Regie ersparte und welcher autoritär seinen gaumigen Bass verströmte. Für Alfredo Daza war auch Roman Trekel wieder als Ottokar am Start, den man aber auch schon besser in Erinnerung hatte als er sich gestern präsentierte. Als Eremit hätte man Jan Martinik sehr geholfen, ihn in ein vorteilhafteres Kostüm und Maske zu stecken. So jedoch wurde er von der Regie zur Witzfigur degradiert. Als Kilian blieb Timothy Sharp unauffällig und bei den Solo – Strophen der Brautjungfern (hier aus dem Staatsopernchor besetzt) gab es sowohl Licht als auch Schatten.  Als Samiel ist der Schauspieler Peter Moltzen als daueranwesender, irgendwie geistig-zurückgebliebender Depp zu erleben, der mal ganz à la Berliner Schaubühne rezitieren darf, dann aber nur rumstammelt und lallt.

Aus dem Graben tönte es frisch und knackig, was dem jungen Dirigenten Alexander Soddy zu verdanken ist. Er unterstützte seine Sänger, denen es vom Bühnenbildner nicht immer leicht gemacht wurde sich auf die musikalische Seite zu konzentrieren.

Barbara Rosenrot

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