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STUTTGART: RIGOLETTO – Schwächen durch Umbesetzung

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Stuttgart: „RIGOLETTO“ 28.5. 2016– Schwächen durch Umbesetzung

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Atalla Ayan (Herzog). Copyright: A.T.Schaefer

Es ist manchmal kaum zu glauben, wie eine zuerst positiv wahr genommene Inszenierung durch maßgebliche Umbesetzungen plötzlich deutliche Schwächen sichtbar macht. So geschehen bei Jossi Wielers und Sergio Morabitos Erarbeitung von Verdis freizügiger Hugo-Vertonung. Bert Neumanns (gest. Juli 2015) Drehbühnen-Aufbau mit hohen Häuserwänden und einer perspektivisch nach hinten verlaufenden Gasse erfreut auch beim wiederholten Sehen in ihrer für heutige Verhältnisse erstaunlich dem Textheft nahen Realistik. So weit so gut – doch wo bei der Premierenserie im Juni 2015 eine dank aller Protagonisten und des Dirigenten unablässige Spannung über dem Geschehen lag, machte sich jetzt phasenweise eine Langeweile breit, die so manche Details der Regie unsinnig erscheinen lässt. Neben den jetzt aufgesetzt, fast billig wirkenden Ausschweifungen der Hofgesellschaft, betrifft dies vor allem die nun kaum zur Geltung kommende Beziehung zwischen Vater und Tochter. Francesco Landolfi ist ein solider Bariton mit angenehm hellem Timbre und guter Stimmführung, aber eingeschränkter Tragfähigkeit und Kraft, so dass manche Phrasen, sobald er sich etwas zur Seite wandte, fast verloren gingen. Vor allem aber ist er im Gegensatz zum Premierenkollegen ein zu braver Schauspieler, um eine so charaktervolle Partie mit ihren Abgründen und Motivationen zu gestalten. Lediglich die Entschlossenheit zur Rache am Herzog vermochte ihn wohl dank der lodernden Attacke von Verdis „Vendetta“-Eingebung mehr aus der Reserve zu locken  und mit Mirella Bunoaica  für einen mitreißenden Schluss des zweiten Aktes zu sorgen. Die Rumänin mit dem klaren, durchsetzungsfähigen lyrischen (Koloratur-)Sopran, der bereits eine leichte Entwicklung ins Zwischenfach erahnen lässt, erfüllte nach einem noch etwas verhangenen Start alle Erwartungen an eine Gilda erster Klasse. Dass sie entgegen ihren bisherigen Rolleninterpretationen sehr zurückhaltend wirkte, dürfte an ihrem Bühnenvater gelegen haben, denn für den glückseligen Moment des heimlichen Treffens mit dem Herzog erwachten ihre Lebensgeister. Bei dem jetzt wieder mit so unwiderstehlicher Sangesfreude verkörperten, von jugendlicher Emphase getragenen, Frauen verführenden Aristokraten von Atalla Ayan mit dem sinnlich südländischen Tenortimbre, idealem Stimmsitz und darob unverkrampfter Bewältigung aller Tücken und schmelzvoller Höhenstrahlkraft ist das allerdings auch kein Wunder.

Neben ihm gehörten Liang Li als Sparafucile mit seinem finster gesättigten Bass und ebensolcher Präsenz sowie Roland Bracht als seinen Fluch bedrohlich von der Mittelloge Richtung Bühne schleudernder Monterone zu den Pluspunkten. Lediglich die große blonde Stine Marie Fischer ist trotz schönem, aber zu seicht eingesetztem Mezzosopran alles andere als eine sexy verlockende Maddalena.

Giuliano Carella ist ein versierter Kapellmeister und vermochte dem in den Holzbläsern etwas unkonzentriert wirkenden Staatsorchester Stuttgart das warme Melos Verdis und teils stimmungsvoll atmende Begleitungen zu entlocken; seine etwas unausgeglichenen Tempi zwischen Dehnen und Anziehen irritierten jedoch ebenso wie die Vater-Tochter-Duette zum Durchhängen neigten. Oder passte er sich da der mangelnden Inspiration des Titelinterpreten an?

Relativ kurzer Einheitsapplaus eines Samstag-Abend-Publikums, das dem verschiedentlichen Raunen nach hauptsächlich glücklich gewesen sein dürfte, so viele Ohrwürmer erkannt zu haben.                                                         
Udo Klebes

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