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ZÜRICH: COSÌ FAN TUTTE – Una bella serenata…

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Zürich: „COSI FAN TUTTE“ – 1.6.2016    – Una bella serenata…

OlveraRebeca09
Rebeca Olvera. Copyright: privat

 Die höchst erfreulich „normale“ Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf (Bühnenbild von Rolf Glittenberg, mit dezenter Lichtführung von Jürgen Hoffmann) steht nun seit 2009 auf dem Spielplan des Opernhauses Zürich und eignet sich gut für alle Neu- und Umbesetzungen. Das gilt auch für die Besetzung der diesjährigen Wiederaufnahme-Serie. Das mehrheitlich junge Publikum ließ sich zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Es ist ja interessant zu beobachten, dass gerade die jüngere Generation sehr wohl Gefallen findet an schönen Kostümen (Marianne Glittenberg) und dem erfrischend typengerecht besetzten Ensemble, das sich hier zusammengefunden hat. Es war auch eine Freude zu sehen, wie sich die 6 Sängerinnen und Sänger mit Spielfreude in dieser witzigen Inszenierung, wo der etwaige Klamauk sich in Grenzen hält, in das Abenteuer der Verwirrung um Liebe und Leid werfen. Denn bei allem Witz ist diese meisterliche „Comedia humana“ ein Abbild der höchst menschlichen Befindlichkeiten – und die bleiben auch über die Jahrhunderte hinweg immer dieselben. Es war berührend, die jungen Leute, die im Publikum gebannt auf die Bühne blickten, zu beobachten, wie sie von Gefühlen, den Verwirrtheiten der Darsteller berührt wurden. Dies spricht auch für die Allgemeingültigkeit von Mozart/Da Pontes „Cosi fan tutte“, wohl einer der bedeutendsten menschlichen Komödien der Opernbühne.

 Karl-Heinz Steffens war mit der Philharmonia schon bei der Ouvertüre mit flotten Tempi unterwegs und hielt die Spannung den ganzen Abend aufrecht. War manches im 1. Akt etwas gar pauschal musiziert, umso mehr war der Klang im 2. Akt differenziert aufgefächert und dynamisch abgestuft. Der Zusatzchor sowie die Chorzuzügler (Einstudierung: Jürg Hämmerli) sangen tadellos und absolvierten ihre Auftritte mit „Witz und Laune“. 

Julia Kleiter (Rollendebut) war als Fiordiligi eine zuerst eher zurückhaltende und dann im 2. Akt eine umso mehr ironisch verschmitzte Schwester der Dorabella. Die sympathische Künstlerin sang mit klarem, gut fokussiertem Sopran, der sehr gut zum Charakter der „Come scoglio“-Arie passte. Sie begeisterte mit wunderschönen Gesangslinien in „Per pietà“. Wunderschön auch ihre Klanggebung bei „Fra gli amplessi“. Anna Stéphany, die junge „Wunder-Mezzosopranistin“ am Opernhaus Zürich, war eine ideale Dorabella. Sie konnte als lebenslustige und unbedachte Schwester mit ihrer flexiblen, apart timbrierten Stimme besonders die Arie „Amor è un ladroncello“ mit ihrem offenen Bekenntnis zur Erotik gut herüberbringen. Beide Sängerinnen harmonierten auf ideale Weise: die eine mit heller, klarer Stimmgebung, die andere mit flexiblem Mezzo grundierend. Köstlich auch die Szene der beiden Schwestern zu Beginn des 2. Aktes, wo sie sich den Liebes-Kummer mit zwei Flaschen Wein hinunterspülen.

Als ihre Partner waren gleich drei Schweizer Sänger – Hört, hört! – am Werk, die es offenbar gut miteinander können und sich die Bälle nur so zuwarfen. Ruben Drole als Guglielmo singt die Partie seit einiger Zeit und hat mittlerweilen seinen lyrischen Bariton zu einem schönen bassigen Kern weiterentwickelt. Sehr gut auch sein Spiel, auch als verletzter Geliebter seiner „Penelope“ Fiordiligi. Mauro Peter stand in Zürich zum ersten Mal als Ferrando auf der Bühne und begeisterte mit einem wunderschön gesungenen „Un’aura amorosa“. Sehr berührend auch die beiden Duette der „richtigen“ Paare im 2. Akt, wo sich Sopran und Tenor, Mezzo und Bariton zusammenfinden. Als zynischer Don Alfonso war Oliver Widmer der Dritte im Bunde der Eidgenossen (köstlich bei der Wette die Schwurszene von Rossinis Tell imitierend!) und noch von der Premieren-Besetzung übrig geblieben. So gut er auch den doch schon recht verbitterten älteren Herrn darstellt, so lassen doch manchmal seine rau gewordenen Töne zu wünschen übrig. Ganz anders dann im Terzett „Soave il vento“, wo Oliver Widmer auf seine unbestrittene Musikalität und saubere Stimmführung aufmerksam machte. Von der Charakterisierung passte er sehr gut ins Konzept dieser Inszenierung als eigentlich recht böser Zeitgenosse und nicht, wie üblich, als eleganter Zyniker. Und dann ist Rebeca Olvera als Despina ein wahres Juwel. Die charmante Künstlerin, die seit Jahren zum Ensemble des Opernhauses Zürich gehört, sang und spielte eine Despina, die einfach als perfekt zu bezeichnen ist. Welchen Liebreiz, welchen Witz, welche Körpersprache die hübsche, zierliche Sängerin aufzuweisen hat, macht einen umso mehr erstaunen, als es sich dabei um ein Rollendebut handelt! Ihre perfekt sitzende, an eine Reti Grist erinnernde glockenreine Stimme kommt über alle Ensembles und entspricht ganz der Partie dieser köstlichen Rollen-Schöpfung Mozarts. Die charmante Drahtzieherin, die eigentlich doch nur von Don Alfonso gelenkt und hinters Licht geführt wird, ist ebenso Opfer der Intrige wie Fiordiligi, die in dieser Inszenierung versehentlich das tödliche Gift trinkt, das sich der in seiner Eitel- und Männlichkeit verletzte Guglielmo vorsorglich am Hochzeitstisch eingeschenkt hatte. So fließt in das trügerische Dur des vermeintlichen „lieto fine“ auch ein Tropfen Wehmut ein – dies ganz im Sinne von Mozarts genialem Werk! Bravo a tutti!

John H. Mueller       

 

 

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