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WIEN / Staatsoper: LE NOZZE DI FIGARO

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WIEN / Staatsoper: 
LE NOZZE DI FIGARO von W. A. Mozart
21. Aufführung in dieser Inszenierung
9. Jänner 2014 

Die Staatsoper wird – „Figaro“ war der Beginn – im Jänner alle drei Mozart-Da Ponte-Opern nebeneinander im Spielplan haben und damit in direkte Konkurrenz zum Theater an der Wien treten, das im März ebenfalls alle drei Werke zeigt, halbszenisch, wie man hört. Bei diesem Wettstreit hat der Zufall Regie geführt, denn das Theater an der Wien wollte ja nur eine „Cosi“-Premiere herausbringen und hat erst nach deren Platzen den Sensations-Coup geboren. Opernfreunde, zu deren legitimem Vergnügen das Vergleichen zählt, bekommen also reiches Material.

Wie die Staatsoper beim Contest letzten Endes aussteigen wird, muss sich zeigen, aber eines ist sicher: Mit Simon Keenlyside hat man einen der interessantesten Interpreten des Almaviva, den  man sich denken kann. Endlich wieder Mozart für ihn – jener Komponist, bei dem er mit seiner Stimme (die umso schöner ist, je weniger er sie forciert) ebenso wie mit seiner bemerkenswerten Technik aus dem Vollen schöpfen kann, ohne sich weiter anzustrengen, und Gesang und Darstellung zu einer vollendeten Studie zusammenfügt. Man hat von ihm gar nicht so viel Mozart in Wien gesehen – ein paar Mal seinen drolligen Papageno, dann 2006 gerade dreimal den „Don Giovanni“ in der de Simone-Inszenierung, gut gemacht, aber keinesfalls so sensationell wie seine exzessiven Giovannis in London und Zürich (zum Glück gibt’s DVDs).

Seinen ersten Wiener Almaviva sang Simon Keenlyside 2001 und 2002 in der legendären Strehler-Inszenierung im Theater an der Wien, dann stieg er zwischen 2004 und 2007 ein paar Mal in die Ponnelle-Inszenierung auf der Staatsopernbühne ein. Besonderen Schliff erhielt seine Rollengestaltung, als er 2011 in der Inszenierung von Claus Guth bei den Salzburger Festspielen mitwirkte: Die Studie eines Zwangsneurotikers war schlechtweg hinreißend. Er konnte diese extreme Version natürlich nicht eins zu eins in die – schweigen wir darüber! – Martinoty-Inszenierung übertragen, aber da ist schon vieles, das diesen fabelhaft gesungenen Almaviva zum großen darstellerischen Ereignis macht. Der Mann ist – nervös, nahezu am Rande eines Nervenzusammenbruchs, und das durch seine Untergebenen, die dauernd um ihn herumfieseln und ihn wahnsinnig machen. Die Männer sowieso, und die hält er sich auch handgreiflich und wütend vom Leib (und spielt, als amüsantes Detail, auf den Partner eingehend, wie unbehaglich sich der Graf fühlt, dass der Figaro – von Luca Pisaroni – entschieden größer ist als er und so eine zusätzliche unbewusste Bedrohung darstellt). Und die Frauen machen diesen unberechenbaren, undisziplinierten, immer ärgerlichen Almaviva noch nervöser, weil er alle haben will und eigentlich (mit Ausnahme der kleinen Barbarina, wie es scheint) keine haben kann.

Keenlyside spielt die Hilflosigkeit des nur scheinbar Mächtigen in zahllosen, brillant durchdachten Details aus und gibt einen fiesen Charakter als solchen preis. Und dennoch – am Ende geht er (was in dieser Albernheit-Inszenierung an sich verschmäht wurde) vor der Gräfin in die Knie, was ohnedies die einzige Möglichkeit ist, die Figur zu retten, ja, es scheint sogar, als ob er sich mit einer Geste bei Figaro entschuldigt … und so bekommt der Graf doch noch seine Würde wieder. Die Blödsinns-Idee, die immer gestört hat, dass die Gräfin und Figaro sich am Ende sehnsüchtige Blicke zuwerfen (nein, das steht nicht in der Musik), ist gänzlich ausgemerzt, und die Ehrlichkeit, mit der ein quasi erleichterter Graf seine Frau umarmt, gibt dem Ende etwas Wunderbares (und lässt annehmen, dass die beiden gleich Versöhnung feiern werden – kein Wunder, so hübsch, wie die Gräfin ist…)

Vor der Vorstellung gab es neben mir nur ein Thema: „Sie hat schon wieder abgesagt“, und das ärgerte die Leute. Es gibt eben doch Opernfreunde, die ihre Karten wegen bestimmter angesetzter Sänger kaufen und dann nicht zufrieden sind, nur den „Figaro“ ohne diese zu bekommen – das Werk kennen ja viele ausreichend, da sollte der Reiz einer anderen Besetzung in einer wichtigen Rolle schon dazukommen. Nun Genia Kühmeier hat es sich – sie wird ihre Gründe für die Absage gehabt haben, aber dennoch – sicherlich bei vielen Leuten verscherzt, die jetzt auf ihre schon zum zweiten Mal nicht stattgefundene Gräfin Almaviva künftig verzichten werden, sollte sie es noch einmal ankündigen. Eine Sängerin, die jahraus jahrein nur Pamina, Micaela und Zdenka gesungen hat, sollte sich überlegen, was sie tut. Dabei war es zusätzlich von Seiten der Staatsoper sicher nicht klug, auch bei der zweiten Absage dieselbe Einspringerin zu bieten, weil ja damit dasselbe Publikum getroffen und doppelt verärgert wurde. Immerhin ist Olga Bezsmertna, sonst nach wie vor auf der Nebenrolle-Schiene der Staatsoper (außer einer gelegentlichen Pamina), eine der wirklich bildhübschen Russinnen, die derzeit so reichlich die Opernbühnen überfluten, und sie kann mit ihrem Piano einigermaßen umgehen, was für die Gräfin sehr wichtig ist. Dass sie im übrigen nicht mit allen enormen Schwierigkeiten der Rolle zurechtkam, liegt mehr an Mozart (wie viele Finger bräuchte man, um jene Sängerinnen aufzuzählen, die in unserer Opernwelt ein wirklich makel- und  tadelloses „Dove sono“ singen können?), aber ihr Kampf gegen die Tücken der Rolle war tapfer und streckenweise erfolgreich.

Jedenfalls dominierte das Paar Graf (er sowieso) und Gräfin den Abend, was sonst öfter Figaro und Susanna zukommt, diesmal allerdings mit Luca Pisaroni (der kein besonders guter Mozart-Sänger ist, zu unexakt und unelastisch) und Anita Hartig kaum. Die beiden lieferten schon zu Beginn ein Schwimmfest, das auch mit der absolut nicht glücklichen Stabführung von Jérémie Rhorer zusammenhing: Wenn man immer wieder hört, wie schwer etwas ist, weil Orchester und Sänger gegeneinander wackeln, dann stimmt etwas nicht.

Wenig Freude auch bei den Nebenrollen. Rachel Frenkel ist das, was manche Opernfreunde einen „faulen Sopran“ nennen, eine helle Stimme, die nicht allzu hoch hinauf will und darum Mezzo singt, ohne zu bedenken, dass dies auch eine Frage des Timbres ist. Durch die erste Arie gehetzt, auch die zweite ohne große Sensibilität abgeliefert, war das ein Cherubin ohne den Zauber und den stimmlichen Reiz der Figur. Donna Ellen schien zu zeigen, dass eine lästige Person wie die Marcellina auch eine lästige Stimme haben kann, Sorin Coliban wollte gewaltig loslegen und dann war nicht viel los mit seinem Bartolo, Pavel Kolgatin als Basilio und Peter Jelosits als Don Curzio wirkten vor allem als Punchingbälle für die schlechte Laune des Grafen Almaviva, als Antonio kroch Clemens Unterreiner, der mittlerweile größere Rollen verdient,  aus dem Orchester, und Debutantin Bryony Dwyer empfiehlt sich eines Tages als Susanna.

Die Stimmung des Abends war teilweise lähmend, und es war im Grunde der Drive von Keenlyside, der sie immer wieder in die Höhe riss. Und das Ende ist ja nun so überirdisch schön – da muss man ja versöhnt scheiden.

Renate Wagner

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