WIEN / Staatsoper: Der Rosenkavalier am 06.06.2016
Chen Reiss, Daniela Sindram. Copyright: Wiener Staatsoper/ Michael Pöhn
Mit dem „deutschen Fach“ kann man derzeit in der Wiener Staatsoper nicht so recht glücklich werden. Bescherte uns in der Fidelio-Serie Peter Schneider zumindest aus dem Orchestergraben ein denkwürdiges Erlebnis, wurde mit dem verunglückten Lohengrin ein Tiefpunkt erreicht. Die Rosenkavalier-Serie erzielte auch in der zweiten Vorstellung nur ein durchschnittliches Ergebnis.
Die getrübte Stimmung wurde durch die unausgewogene Besetzung der Hauptpartien verursacht. Es konnte zwar der Ausfall von Lars Woldt durch das kurzfristige Engagement von KS Kurt Rydl bestmöglich ersetzt werden; die planmäßige Besetzung machte aber nicht nur Freude:
Dorothea Röschmann singt in dieser Serie erstmals in der Wiener Staatsoper die Feldmarschallin und kann sich nicht – oder noch nicht – in die Riege der beeindruckenden Interpretinnen dieser in Wien so geliebten, heiklen Figur einordnen. Man kann im Interview in der Staatsopernzeitschrift „Prolog“ nachlesen, dass sie sich über die Person der Fürstin Werdenberg ausführliche Gedanken gemacht hat; die Umsetzung in die Bühnenwirklichkeit ist jedoch noch nicht vollinhaltlich geglückt. Die intime Szene mit Octavian und die Szene mit den angehaltenen Uhren ist sehr gut gelungen; der Monolog über die Zeit und der Auftritt im dritten Akt ließen Einfühlungsvermögen und Grandezza vermissen. Das Fehlen der fließenden Gesangslinie brachte das Terzett um die sonst so eindringliche Wirkung.
Kurt Rydl bewies eindrucksvoll, dass er noch immer DER Ochs auf Lerchenau ist. Jede Bewegung, jede Geste verkörpert den „aufgeblasnen, schlechten Kerl“ der trotzdem nicht primitiv oder brutal wirkt. Seine Kur in „Anatevka“ scheint ein Jungbrunnen gewesen zu sein – den Herrn Kammersänger im Herbst seiner langen Opernlaufbahn haben wir schon lange nicht mehr so temperamentvoll und quirlig über die Bühne tanzen sehen. Sein komödiantisches Können prägte die Wirtshausszene im dritten Akt, in der er mit dem „Mariandl“ von Daniela Sindram eine kongeniale Blödelpartnerin hatte. Die deutsche Mezzosopranistin erfüllte sämtliche Anforderungen dieser vielschichtigen Figur: der temperamentvolle Liebhaber ist fast nicht mehr jugendfrei, das Stubenmädel ist geziert und trotzdem kokett, der junge Graf wirkt vornehm und ritterlich. Besonders angenehm empfanden wir, dass sie das Mariandl beim „tète-a-tète“ weder darstellerisch noch gesanglich veblödelt – man merkt, dass sie in fünfzehn Jahren Praxis ihre Interpretation des Oktavian gefunden hat – ein beruhigender Ausblick auf die Zeit nach Kirchschlager und Garanca.
Die Sophie wurde von der bereits bewährten Chen Reiss jungmädchenhaft zurückhaltend begonnen aber im Lauf der Handlung selbstbewusst bis aufmüpfig dargestellt und mit glockenhellem Sopran zart und technisch sehr gut gesungen.
Ihr Vater, der Herr von Faninal, ist mit Morten Frank Larsen leider nicht so erfreulich besetzt. Der sympathische dänische Sänger machte uns in Volks- und Staatsoper viel Freude, in den letzten Jahren kann er allerdings die von ihm gewohnten Leistungen nur mehr in wenigen, exakt passenden Partien (zB. Galitzky im Fürst Igor) erbringen. Der Herr von Faninal gehört nicht dazu – die Stimme ist nicht tragfähig und zuverlässlich genug und das wirkt sich auch auf das Spiel und die Körpersprache negativ aus.
Auch das Intrigantenpaar war diesmal eher „uneinheitlich“ besetzt. Thomas Ebenstein ist mit seinem schauspielerischen Talent und seinem klaren technisch guten Tenor ein idealer Valzacchi; seine Nichte Annina – Ulrike Helzel – überzog darstellerisch in der Briefszene gewaltig – das war nicht mehr schnippisch-kokett sondern nur mehr „anlassig“. Dieser Übertreibung fiel auch der gesangliche Ausdruck zum Opfer.
Als stimmliche Luxusbesetzung für die Leitmetzerin erwies sich Regine Hangler – der jungen oberösterreichischen Sopranistin gelingt gerade eine beachtliche Entwicklung. Seit ihrer Daphne mit Franz Welser-Möst sowie der Rosalinde und der Chrysothemis an der Wiener Staatsoper zeigt die Karriere steil nach oben. Damit ist bewiesen, dass aus Eferding nicht nur köstliche Gurkerln, sondern auch gute Sängerinnen kommen.
Jinxu Xiahou war wieder ein guter „italienischer Sänger“ – es ist aber auch bei ihm zu hören, wie schwierig diese Arie ist. Marcus Pelz spielte einen kauzigen Notar und hat sich vom übermächtigen Vorbild Alfred Sramek weitgehend emanzipiert. Die Haushofmeister Wolfram Igor Derntl und Michael Roider, der Polizeikommissar Alexandru Moisiuc und die Modistin Annika Gerhards waren gute Besetzungen für die kleinen Rollen. Herwig Pecoraro ließ bei der kraftvollen Ankündigung der „Frau Fürstin Feldmarschall“ – wie gewohnt – das Haus erzittern.
Der durchschnittliche Eindruck, den dieser Abend auf uns gemacht hat liegt nicht zuletzt daran, dass das sonst so souveräne Staatsopernorchesters trotz des routinierten Kapellmeisters Adam Fischer den Zauber der ausdrucksstarken Strauss-Klänge nicht wie gewohnt vermitteln konnte. Dass etwas nicht stimmte, merkte man auch daran, dass ein Teil der Orchestermusiker nicht bereit war, nach dem Zeichen des Dirigenten aufzustehen und unseren Beifall huldvoll entgegenzunehmen. Wir hoffen, das war nur schlechtes Benehmen und nicht Anzeichen eines ernsteren Problems.
Maria und Johann Jahnas