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IN DER BACHSTADT LEIPZIG WERDEN KIRCHEN GEBAUT

In der Bachstadt Leipzig werden Kirchen gebaut, 20.01.2014

Von Ursula Wiegand

 Ja, Sie haben richtig gelesen. In Leipzig werden nicht wie in zahlreichen anderen Städten und Dörfern Kirchen abgerissen oder radikal umfunktioniert. Letzteres war schon in früheren Jahrhunderten nicht unüblich. Doch nun wurden und werden in Leipzig Gotteshäuser aufwändig Instand gesetzt und sogar neue gebaut.

Allerdings war zu DDR-Zeiten auch dort der Atheismus die „Staatsreligion“, mit der Folge, dass die SED die wenig zerstörte Universitätskirche St. Pauli 1968 in einer Nacht- und Nebelaktion wegsprengen ließ.

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Bach-Denkmal an der Thomaskirche
Bach-Denkmal an der Thomaskirche. Foto: Ursula Wiegand

Andererseits hatten Leipzigs Gotteshäuser seit Jahrhunderten eine prägende Funktion. Der jetzt 800-jährige Thomanerchor und die Bachtradition bildeten stets ein Gegengewicht. Leipzig war anders. Dort begannen die Montagsdemonstrationen, weiteten sich in der DDR aus und führten vor 25 Jahren letztendlich zum Fall der Mauer.

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands ist in Leipzig vieles geschehen, auch für die Kirchen. Zusammen mit dem Uni-Neubau Paulinum am Augustusplatz wird die Universitätskirche St. Pauli wieder errichtet, allerdings mit 5-jähriger Verzögerung.

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Leipzig, Uni-Neubau mit Universitätskirche
Leipzig, Uni-Neubau mit Universitätskirche. Foto: Ursula Wiegand

 Eigentlich sollte der gesamte Komplex schon 2009, zur 600-Jahr-Feier der renommierten Alma Mater, fertig sein, doch die Insolvenz des holländischen Architektenbüros Erick van Egeraat machte einen Strich durch die Rechnung.

Die Uni ist schon in Betrieb, die Kirche aber noch geschlossen. Nur zu besonderen Anlässen – wie zu den Wagner-Geburtstagsfeiern im Mai 2013 – wurde sie kurz für Veranstaltungen geöffnet. Nun soll St. Pauli, auferstanden aus Ruinen, am 2. Adventssonntag 2014 geweiht werden und dann für alle offen stehen.

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Pfarrer Christian Wolff, auch mal locker

Pfarrer Christian Wolff, im Sommer auch mal locker. Foto: Ursula Wiegand

 Wird jedoch die Innengestaltung mit einer den Raum teilenden Acrylwand überzeugen? Gegen diese protestiert Christian Wolff, der frisch pensionierte Pfarrer von St. Thomas, seit langem. Nach seinen Worten widerspricht diese Teilung der traditionellen gottesdienstlichen, akademischen und musikalischen Nutzung dieser Kirche. Bach, Mendelssohn und Reger hätten in St. Pauli musiziert. Wolff hofft, dass diese Trennwand später wieder beseitigt wird.

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Lutherkirche, Parkseite

Lutherkirche, Parkseite. Foto: Ursula Wiegand

 Renoviert und auch für weitere Zwecke nutzbar gemacht wird die Lutherkirche im Bachviertel, für die Pfarrer Wolff ebenfalls verantwortlich war. Sie ist der geistige Mittelpunkt des Bildungscampus „forum thomanum“, das Musikerziehung auf christlicher Grundlage vom Kindergarten bis zur Universität bieten will und dabei auch den Nachwuchs für den Thomanerchor im Auge hat.

Die Maßnahmen: Neuaufbau des Dachstuhls, Unterkellerung des Kirchenschiffes, Aufzug, mobile Bestuhlung und ein auch für Aufführungen nutzbarer Altarraum inkl. Hebebühne. Das Gotteshaus bleibt eine Kirche, wird aber zu Gunsten der Jugend zum Mehrzweckbau. Kostenschätzung 6 Millionen Euro. Wenn die Gelder rechtzeitig fließen, sollten die Arbeiten bis zum Reformationsfest am 31. Oktober 2017, der 500-Jahrfeier von Luthers Thesenanschlag in Wittenberg, getan sein.

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Peterskirche, Kirchenschiff

Peterskirche, Kirchenschiff. Foto: Ursula Wiegand

 Weit schwieriger und aufwändiger war und ist jedoch die Instandsetzung der neogotischen Peterskirche, erbaut 1885. Das im Krieg stark beschädigte Gotteshaus hatte 10 Jahre lang kein Dach. Zunächst finanzierte die Schwedische Kirche 1954 ein neues. Weitere Baumaßnahmen in den 1970er Jahren unterstützte die Evangelische Kirche Deutschlands.

Seit 1990 wird nun systematisch rekonstruiert, renoviert und restauriert. Drinnen ist alles Wesentliche erledigt, an der Ostfassade und am Kapellenkranz wird noch gearbeitet. Und wie ein Ausrufezeichen der 88 Meter hohe Turm, der höchste von Leipzigs Kirchtürmen, zuversichtlich empor.

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Thomaskirche, Andrang zur h-Moll-Messe
Thomaskirche, Andrang zur h-Moll-Messe. Foto: Ursula Wiegand

 Johann Sebastian Bach würde sich darüber freuen, war er doch für den im Jahr 1507 errichteten Vorgängerbau von St. Peter ebenso zuständig wie für St. Nikolai und die Thomaskirche, die zu seinem 250. Todestag im Jahr 2000 bestens in Stand gesetzt wurde und außerdem eine neue Bachorgel erhielt. Wenn hier beim Bachfest Johann Sebastians Passionen und seine h-Moll-Messe dargeboten werden, herrscht stets Andrang.

Die Katholiken bauen sogar eine neue Propsteikirche, da sich ihr erst 1982 geweihtes Gotteshaus in der Emil-Fuchs-Straße am Rosental seit 6 Jahren senkt und einzustürzen droht.

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Leipzig, die bisherige Propsteikirche

Die bisherige Propsteikirche. Foto: Ursula Wiegand

„Die steht auf sumpfigem Grund, Besseres stellte uns die DDR-Regierung damals nicht zur Verfügung,“ sagt Propst Lothar Vierhock, ein gelernter Bergmann.

Inzwischen hat die 4.400 Mitglieder-Gemeinde ein Grundstück nahe dem Neuen Rathaus erworben, nur „einen Steinwurf“ von der ausgebombten früheren Kirche entfernt. Am  27. April 2013 wurde der Grundstein gelegt.

Vierhock beziffert die Baukosten auf 15 Millionen Euro. 12.500 Einzelspender aus aller Welt haben bisher zur Finanzierung beigetragen. Durch sie und eine bundesweite Sonderkollekte in 2008 kamen mehr als 4 Millionen Euro in die Kasse. Unterstützung leisteten auch die Deutsche Bischofskonferenz und das Bonifatiuswerk.

„Eine gute moralische Unterstützung finden wir aber auch in Leipzig und Umgebung,“ freut sich Vierhock. Das überrascht, denn 80 % der Leipziger sind nach seinen Worten religionsfern, 16 % evangelisch und nur 3,5 % katholisch.

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Modell der neuen Propsteikirche, I

 Neue Propsteikirche, Modell. Foto: Ursula Wiegand

 Insbesondere betont der 57-Jährige die „wunderbare ökumenische Zusammenarbeit. Wir machen gemeinsame Gottesdienste und Veranstaltungen, konfessionelle Grabenkämpfe können wir uns hier nicht leisten.“ Insofern passt der Standort der neuen Propsteikirche haargenau: Nonnenmühlgasse Ecke Martin-Luther Ring.

Wie das Modell zeigt, entsteht dort, der Grundstücksform entsprechend, ein dreieckig gegliedertes Gebäude mit einem hohen Glockenturm, das außen mit rotem Rochlitzer Porphyr verblendet wird, ähnlich wie Leipzigs Altes Rathaus.

Leider können der schöne Altar, ein Werk des Metallbildhauers Achim Kühn aus Berlin, und die bisherige Orgel nicht in die neue Kirche integriert werden. Für beides gibt es aber bereits Interessenten. Ein neues Instrument baut die Orgelmanufaktur Fleugels in Hardheim, geeignet für deutsche und französische Musikliteratur.

Insgesamt äußert Vierhock „die begründete Hoffnung, dass die Gemeinde das Weihnachtsfest 2014 in ihrer neuen Kirche feiern kann.“

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Blick auf  Leipzig, vorne die Oper

Blick auf Leipzig, vorne die Oper. Foto: Ursula Wiegand

 Vermutlich kommt dann auch Christian Wolff vorbei. Denn der gebürtige Düsseldorfer, 22 Jahr lang Pfarrer der Thomaskirche, bleibt in der Stadt und weiterhin Vorsitzender der „Stiftung Chorherren zu St. Thomae“.

Auch widmet er sich nach wie vor dem „forum thomanum“, das er zusammen mit Thomaskantor Georg Christoph Biller energisch und gegen alle „Bedenkenträger“ vorangetrieben hat. Darüber hinaus bietet Wolff nun „Beratung für Kirche, Politik und Kultur“. Fußballspielen – sein großes Hobby – wird er wohl auch noch ab und zu. Leipzig,“ so sagt er, „ist eine wunderbare Stadt.“

 Infos: www.leipzig.de, www.kirche-leipzig.de und www.propstei-leipzig.de

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